Nach Deal zwischen Sun und Microsoft: Zukunft von Open Office ungewiss?
12. April 2004 von Wolfgang SommergutDer überraschende „Friedensschluss“ zwischen Microsoft und Sun hat bei vielen Beobachtern die Frage aufgeworfen, wofür eigentlich Bill & Steve fast zwei Mrd. Dollar an Scott McNealy bezahlen. Nur dafür, dass sich Sun zukünftig aus den Kartellverfahren gegen Microsoft raushält? Es spricht einiges dafür, dass die Aufgabe von Open Office eine weitere Gegenleistung für die Finanzspritze sein könnte.
Das Abkommen zwischen den beiden Firmen wurde gleich nach Bekanntwerden als eine Allianz gegen Linux und Open Source interpretiert. Die Pressemitteilung enthält einen Passus, den man ohne viel Phantasie als Hinweis darauf verstehen kann:
This agreement recognizes that cutting edge R&D and intellectual property protection are the foundation for the growth and success of our industry. This is a positive step forward for both Sun and Microsoft, but the real winners are the customers and developers who rely on our products and innovations.
Suns CTO John Fowler sah sich deshalb gleich genötigt, eine derartige Absicht zu dementieren. Ganz lässt sich aber nicht bestreiten, dass beide Vertragspartner in dieser Hinsicht ein gemeinsames Interesse haben. Microsoft, dessen Einnahmen zum allergrößten Teil aus dem Lizenzgeschäft stammen, hat aus verständlichen Gründen keine Sympathie für Open Source. Bei Sun ist die Sache etwas schwieriger: Die Company gründete und unterstützt bei heute viele freie Projekte. Auch das Java Desktop System besteht zum überwiegenden Teil aus quelloffener Software. Gleichzeitig setzt die Kombination aus preiswerten Intel-Servern und Linux besonders Sun massiv zu und darin dürfte der wichtigste Grund für die schwere Krise des Unternehmens liegen.
Hinzu kommt, dass die IBM als der größte Nutznießer von Open Source Suns größter Konkurrent bei Java ist. Die Herren aus Armonk drängten erst kürzlich wieder Sun, Java als Open Source freizugeben. Der Disput endete damit, dass Scott McNealy dieses Ansinnen ablehnte und IBM nahe legte, doch den Code von DB2 an ein freies Projekt zu übergeben. Im Vergleich zu IBM, die immer mehr Einnahmen mit Dienstleistungen (auch auf Basis von Open Source) erzielt, müssen Microsoft und Sun ihr Geld durch Verkauf von Technologie (in Form von Hardware oder Softwarelizenzen) verdienen. Von daher kommt Wahrnehmung, dass der Deal zwischen MS und Sun nicht nur gegen Open Source, sondern auch gegen die IBM gerichtet sein könnte.
Und was hat das Ganze mit Open Office zu tun? Der Kauf von Star Division durch Sun war nicht primär dadurch motiviert, dass Scott McNealy damit ein lukratives Desktop-Geschäft aufbauen wollte. Angesichts der Marktverhältnisse war da nicht viel zu holen. Wichtigster Beweggrund dafür war vielmehr, Microsofts wichtigste Einnahmequelle zu beschädigen. Ein freies bzw. sehr günstiges (Star Office) Office-Paket sollte diesen Markt kaputt machen. Gleichzeitig dürfte Sun mit Open/Star Office nie Geld verdient haben. Die überwiegende Zahl der Open-Office-Programmierer steht auf der Gehaltsliste von Sun, freie Entwickler tragen nur relativ wenig bei. Charles Miller vermutet daher mit einiger Plausibilität, dass eine Firma, die so unter Kostendruck steht wie Sun, zuerst bei Projekten sparen werde, die keinen Gewinn abwerfen – vor allem dann, wenn ihr wichtigster Daseinsgrund darin besteht, einem neu gewonnen Freund zu schaden.
Die Situation erinnert mich insgesamt stark an Novells „Friedensschluss“ mit Microsoft vor genau zehn Jahren:
Novell’s new chairman and CEO Robert Frankenberg and Microsoft’s Bill Gates are discussing ways the two major software companies can work together rather than against each other. Efforts will focus on making Microsoft’s Windows operating systems work better with Novell’s NetWare software. Novell previously had actively encouraged the Justice Department’s antitrust actions against Microsoft, but, „As far as Frankenberg’s concerned, that has ended,“ says an analyst with the Gartner Group. (Wall Street Journal 8/23/94 A3)
Man setze statt „Novell’s NetWare“ nur „Sun’s Solaris“ ein und sehe davon ab, dass Novell keine finanzielle Zuwendung erhielt – ansonsten gleichen sich die beiden Übereinkommen frappierend. Das Ergebnis der neuen Freundschaft zwischen Microsoft und Novell bestand bekanntlich darin, dass die Netzwerker aus Utah ihr gesamtes Desktop-Portfolio aufgaben. Die Office-Anwendungen landeten damals bei Corel, wo sie immer mehr Marktanteile verloren.
Man kann nur darüber spekulieren, was ein ähnliches Schicksal für Open Office bedeuten würde. Als ein Vorteil des frei zugänglichen Quellcodes gilt, dass Software dadurch „unsterblich“ wird – im Prinzip kann jeder darauf aufbauen und das Projekt fortführen. Wenn die allermeiste Arbeit aber von fest angestellten Entwicklern erbracht wird, dürfte der Übergang zu einem „richtigen“ Open-Source-Vorhaben schwer fallen. Die Situation von Open Office dürfte sich dann mit jener von Mozilla vergleichen lassen, das mehrere Jahre benötigte, um die Netscape-Erbschaft zu verdauen.
Kategorie: Firmenstrategien 4 Kommentare »
Ja, das ist eine interessante Parallele. Es gibt noch ein paar mehr in dieser Art. Apple hat auch relativ plötzlich den Newton 2100 verschwinden lassen, der auch heute noch die WinCEs „in die Tasche“ steckt. Auch da gabe es praktischerweise vorher so eine Einigung mit Microsoft.
Es ist zu vermuten, dass Sun nicht umhin kommen wird, Open Office/Star Office ad acta zu legen. Das Unternehmen hat in den vergangenen Jahren eine derart konfuse Produktpolitik und Strategie an den Tag gelegt, dass aus finanziellen Gründen ein Großreinemachen unumgänglich ist – falls es dafür eh nicht zu spät ist. Und Star Office/Open Office ist nun mal kein strategisches Produkt für Sun. Wolfgang dürfte leider Recht behalten mit seiner Einschätzung, dass Open Office dasselbe Schicksal beschieden sein wird wie Netscape/Mozilla: eine längere Durststrecke, bis der Sprung zu Open Source geschafft ist.
Wobei das bei OpenOffice durchaus zu verschmerzen ist, da das Produkt, so wie es ist, durchaus längere Zeit einsetzbar ist, ohne dass ein stabiler Betrieb gefährdet wäre. So schrecklich viel kann man an ein Office nicht mehr dranbauen.
@vowe: Bei der Einigung zwischen MS und Apple gibt es noch zusätzliche Parallelen. Da wurde auch von „Technologieaustausch“ gesprochen. Der bestand unter anderem darin, dass der Internet Explorer auf dem Mac zum Standard-Browser wurde.
Auch das Kartellverfahren spielte da eine Rolle: Zu dieser Zeit war Apple in einem derart miesen Zustand, dass es nur eine Frage der Zeit schien, bis die Firma pleite gehen würde. Das hätte für MS unangenehm sein können, denn damit wäre der letzte pro-forma-Konkurrent auf dem Desktop verschwunden. Die Geldspritze und die Zusage, MS Office für den Mac langfristig anzubieten, sollte Apple so weit aufpäppeln, dass im Kartellverfahren der Eindruck entsteht, in diesem Markt gäbe es doch so etwas wie Wettbewerb.
PING:
TITLE: Was wird aus Open Office nach dem Sun/Microsoft Deal?
BLOG NAME: KMU-Blog
fragt Wolfgang Sommergut in seinem Blog.
hier ein kleiner Auszug.
Wolfgang Sommergut: Nach Deal zwischen Sun und Microsoft: Zukunft von Open Office ungewiss?
Man setze statt „Novell’s NetWare“ nur „Sun’s Solaris“ ein und sehe d…