Wolfgang Sommergut

Der Jahreswechsel inspiriert regelmäßig zu Vorhersagen darüber, was die nächsten 12 Monate bringen werden. Auch für 2005 haben Analysten, Journalisten, Blogger und Firmen in die Kristallkugel geschaut. Ich habe ein paar der interessantesten und amüsantesten Prognosen zusammengetragen.

• Die Zunft der professionellen Wahrsager (=Analysten) erhebt den Anspruch, mit ihren Prophezeiungen Anhaltspunkte für unternehmerische Entscheidungen zu geben. IDC sieht für 2005 gleich mehrere Trends (Registrierung erforderlich) und Entwicklungen voraus. Hier ein paar Auszüge:
  • Der weltweite IT-Markt wird um sechs Prozent wachsen
  • Microsoft wird sich im Applikations-Markt durch eine größere Übernahme stärken, um SAP und Oracle/PeopleSoft Paroli bieten zu können.

  Neben diesen konkreten Aussagen bleiben die Prognosen der IDC vage und im Allgemeinen (Further consolidation in the telecommunications industry is inevitable in 2005, The consumer space will continue to be dominated by the latest digital devices, In the hardware side of enterprise IT market, commoditization, with downward pricing pressure, will continue to squeeze suppliers).

• Michael Gartenberg von Jupiter Research blickt für die Computerworld in die Zukunft. Die interessantesten Prognosen: VoIP wird für Business-Anwender zur Mainstream-Technologie, aber die drahtlose Telefonie bleibt eine Nische. Linux verbreitet sich weiter stark, am Desktop spiele es jedoch weiterhin keine große Rolle. Sicherheitsbedenken führen dazu, dass IT-Abteilungen die Benutzung von USB-Geräten streng regulieren werden.
  PDAs werden nach Meinung von Gartenberg irrelevant, ihre typischen PIM-Funktionen wandern zu Handys und anderen Geräten ab. Für Weblogs sieht er eine zunehmende Verbreitung in Unternehmen voraus, außerdem werden ihretwegen noch mehr Leute gefeuert.
• Die Analysten von Gartner nutzen jede einzelne der eher mageren Vorhersagen, um damit entsprechende Studien zu bewerben. In der relativ langen Liste fand ich die Prognose bemerkenswert, dass die Beurteilung von Mitarbeitern immer stärker davon abhängen wird, wie schnell sie auf E-Mails antworten. Unterwegs und zu Hause werden sie an die kurze Wireless-Leine gelegt.
• Paul Gillin von Techtarget glaubt, dass die Gehälter in der IT-Branche wieder steigen werden. Grund: Der Offshoring-Hype hat zu einer Abwanderung von Fachkräften in andere Segmente bewirkt, aber insgesamt gehen weniger Arbeitsplätze an Billiglohnländer verloren als befürchtet. Diese Aussage ist vermutlich auf den amerikanischen Markt gemünzt.
  Ansonsten wagt er eine Prognose in Sachen Desktop Linux (wird 2005 zum Erfolg, wie oft wurde das eigentlich schon prophezeit?) und Spyware löst nach seiner Ansicht Viren als gefährlichste Schadprogramme ab.
• IDC hatte für 2004 prognostiziert, dass die (wie immer geartete) RFID-Blase platzen würde. Im Rückblick räumen die Analysten ein, dass diese Erwartung zu weit ging. Allerdings hätten große Handelsketten wie Walmart ihre hochgesteckten Pläne nicht erfüllen können. IDC erwartet nun 2005 einen starken Zuwachs in der RFID-Verbreitung, Paul Gillin teilt diese Meinung.
• Don Box, XML- und Web-Service-Guru bei Microsoft, wagt gleich zehn Prophezeiungen für 2005. Unterhaltsam sind seine Personalspekulationen: Miguel de Icaza wird von Novell zu Google wechseln und Robert Scoble schafft es auf die Titelseiten großer amerikanischer Magazine.
  In der Sparte Technologie meint Box, dass Apple nach dem Vorbild von Microsoft eine „Mac OS X Media Center Edition“ herausbringen werde, Sun auf Eclipse umsteigen (und Netbeans aufgeben?) wird. XQuery wird nach seiner Meinung nur mit viel Glück im Lauf dieses Jahres als W3C-Empfehlung verabschiedet und erlangt wie der ganze WS-*-Stack nicht die erwartete Bedeutung.
  Gewagt ist die Prognose, wonach ein nicht von Microsoft stammender Browser in puncto Marktanteile Mozilla Firefox übertreffen soll. Neben dem notorischen Spekulationsobjekt „Google Browser“ könnte das Apples Safari sein, wenn er nach Windows portiert wird.
• Tim Bray, XML-Veteran, Star-Blogger und seit 2004 Sun-Mitarbeiter, sieht ein langweiliges Jahr für die Software-Branche voraus: Microsoft, IBM und Oracle werden wieder das große Geld machen. Besonders die IBM befinde sich in einer starken Position, weil ihr Geschäftsmodell weder durch Open Source noch durch gehostete Web-Anwendungen gefährdet sei. Die Software-Infrastruktur sei immer noch zu kompliziert und das komme IBM Global Services zugute.
• John Battelle meint, Google habe 2005 etwas Größeres mit blogger.com vor – er weiß bloß nicht, was das sein könnte. Aber ist überzeugt, das Six Apart (der Hersteller von Movable Type) zwar weiter wachsen wird und dann in eine Krise schlittern könnte. Grund: Die Benutzer werden mehr verlangen als die Blog-typischen Features und die Firma kann sie nicht liefern. Außerdem werde Apple entgegen der zunehmenden Gerüchte keinen Video-iPod auf den Markt bringen.
• Fourty Media, eine Internet-Agentur, äußert sich zu Trends im Web-Design. Demanch sei 2005 der standardkonforme Minimalismus out, größerer Detailreichtum dagegen wieder in. Die Modefarbe des Jahres werde Braun, das lange populäre reine Rot sei hingegen überholt. Die meisten Designer würden zudem begreifen, dass Verdana hässlich sei und auf andere Schriften umsteigen, bevorzugt auf Georgia. Und in einem hat Fourty Media hoffentlich recht: Web-Designer, die Tabellen nutzen, werden als Angehörige einer niedrigen Kaste betrachtet.

Und was wurde aus den Prognosen für 2004?

Ein Jahr danach will sich kaum einer der Propheten an seine (falsche) Vohersagen erinnern lassen (IDC bewertete die ziemlich vagen Aussagen des Vorjahres, da ging nicht viel schief). Mein erster Blog-Eintrag überhaupt fasste im letzten Januar die Prognosen für 2004 zusammen. Einiges davon lässt sich relativ leicht überprüfen. Den größten Unfug sagte Robert X. Cringely voraus, indem er meinte, Microsoft werde uns vor der Spam-Flut retten. Die peinliche Nummer, die die Gates-Truppe bei der Standadisierung von Sender-ID ablieferte, spricht eine ganz andere Sprache.