Das Elend mit elektronischen Kalendern
25. März 2005 von Wolfgang SommergutIn seiner Serie „7 Säulen der IT-gestützten Team-Produktivität“ behandelt Michael Sampson in Teil 4 das Thema Terminplanung. Bei der Festlegung von abteilungsübergreifenden Meetings oder bei der Koordination von projektbezogenen Arbeitsgruppen erweisen sich elektronische Kalender als effektive Werkzeuge. Michaels Ist-Analyse zeigt allerdings einige Schwächen der gängigen Terminplaner auf. Seine Kritik trifft einige wesentliche Punkte, eilt aber meines Erachtens der Realität in vielen Unternehmen um Jahre voraus.
Im Einzelnen moniert die Analyse an den heutigen Systemen folgende Defizite:
- Kalenderfunktionen sind eng mit E-Mail integriert und stehen innerhalb vieler anderer Anwendungen nicht zur Verfügung.
- Die Suche nach verfügbarer Zeit in den Kalendern von Teammitgliedern funktioniert nicht über Unternehmensgrenzen. Beispielsweise lassen sich externe Berater bei der Terminfindung nicht berücksichtigen.
- Arbeitsgruppen nutzen zwar projektbezogene Kalender in virtuellen Teamräumen, diese lassen sich aber meist nicht mit den Kalendern in den Mail-Systemen synchronisieren. Das trifft etwa auf das Verhältnis von IBMs Workplace Express und Lotus Notes zu. Der Abgleich muss manuell erfolgen.
Die genannten Mängel vermindern die Effektivität der elektronischen Terminplanung und erfordern die Koordination der Teamarbeit per Telefon oder mittels E-Mail. Diese Verfahren sind nicht nur zeitraubend, sondern auch fehleranfällig und enden häufig in der Mehrfachbelegung von bestimmten Zeiträumen.
So zutreffend etwa die Kritik an der mangelnden Interopabilität zwischen Kalendersystemen sein mag, so
wenig hemmt sie in der aktuellen Praxis die Produktivität von Teams. Das liegt meiner Einschätzung nach daran, dass viele Unternehmen nicht ansatzweise die Möglichkeiten ausschöpfen, die Kalendersysteme schon heute bieten. Nach meiner Erfahrung sieht die Situation häufig so aus:
- Obwohl mit Outlook/Exchange und Notes/Domino entsprechende Software weit verbreitet ist, sind Papierkalender noch längst nicht ausgestorben. Selbst wenn nur eine Minderheit auf das Führen elektronischer Kalender verzichtet, findet die elektronische Terminplanung in Arbeitsgruppen schnell ihre Grenzen.
- Kaum jemand nutzt den Kalender, um Teilnehmer zu einem Meeting einzuladen. Ich erhalte wahrscheinlich 95 Prozent aller Terminvorschläge für Besprechungen oder Redaktionsbesuche in Form gewöhnlicher E-Mails. Hat man sich auf ein Datum und eine Uhrzeit verständigt, dann muss ich den Termin manuell in den Kalender eintragen.
- Wenn ich Einladungen zu einer Besprechung aus meinem Kalender verschicke, reagiert nur eine Minderheit mit der „Annehmen/Ablehnen“-Funktion. Diese Art der Koordination würde grundsätzlich auch gut mit externen Partnern klappen, weil Notes, Outlook oder Evolution über iCalendar kommunizieren können. Häufig bekomme ich in diesem Fall als Antwort eine gewöhnliche Mail, die meine iCalendar-Daten in zitierter Form enthält.
- Die Funktion zur automatischen Suche nach freien Terminen von Meeting-Teilnehmern ist weitgehend unbekannt. Die Abstimmung erfolgt in der Regel per Mail oder Telefon.
- Es ist weithin unüblich, den Kollegen aus der eigenen Abteilung oder in einem Projekt Zugriff auf den Kalender zu gewähren. Der Einblick in private Einträge sollte dabei keine Rolle spielen, den diese lassen sich als solche markieren. Die Anderen sehen dann nur, dass der Kollege zu einer bestimmten Zeit belegt ist, aber können nicht erkennen, was er macht. Das Problem scheint eher zu sein, dass die Leute fürchten, damit den Grad ihrer Auslastung offen zu legen.
Kategorie: Messaging und Collaboration 5 Kommentare »
Hallo Herr Sommergut,
ich kann Ihren Einschätzungen nur zustimmen. Kleine Firmen sind hier jedoch häufig beweglicher. Bis sich hingegen in einer größeren Firma etwa der Nutzen einer elektronischen Raumplanung herumspricht, vergehen schon Jahre. Und dann gibt es ja auch noch Mitarbeiter, die an „Wichtigkeit“ verlieren, wenn auf einmal jeder selbst sein Auto oder seinen Raum buchen kann…
Der klassische Papierkalender hat ganz klar den Vorteil, dass man sich Termine etc. besser merken kann. Als ich noch meinen kleinen Taschenkalender besaß, wusste ich immer ziemlich genau, was in der Woche anlag. Sobald man jedoch in Gruppen zusammen arbeitet, überwiegen die Vorteile des elektronischen Kalenders bei weitem.
Viele Grüße
Henning Emmrich
Die automatische Suche nach freien Terminen setzt natürlich voraus, dass jeder seinen eigenen Kalender lückenlos führt. Und gerade das ist häufig nicht der Fall. Viele Termine müssen dann noch korrigiert werden, weil jemand dann doch keine Zeit hat.
Und dann gibt es noch die Personen, die den Einblick in ihren Kalender als Überwachung missinterpretieren und sich dann ganz dagegen wehren.
Gemeinsame Kalender setzen eine hohe Disziplin des gesamten Teams voraus. Wie Herr Regelmann oben schon erläutert hat, trifft dies leider nie auf alle Kollegen gleichermaßen zu. Die Herausforderung eines Unternehmens ist daher, Anreize dafür zu schaffen, dass solche elektronischen „Helferlein“ akzeptiert und tatsächlich genutzt werden.
Da sieht man mal wieder, dass technisch zwar viel möglich ist, der Mensch aber durch Gewohnheit, persönliche Interessen etc. oft andere Wege geht ;-)
Kleine Firmen sind sicher beweglicher, anderseits ist manchmal der Anreiz für die Nutzung solcher Tools dort nicht so groß – man kann doch so viel auf Zuruf organisieren. Große Unternehmen würden daher vom konsequenten Einsatz elektronischer Kalender stärker profitieren, aber das droht gleich in ein großes Projekt auszuarten.
Was die Disziplin beim Pflegen eines Kalenders anlangt, wundert es mich, warum sich dabei sozialer Druck nicht stärker bemerkbar macht. Wenn jemand immer wieder Termine absagen muss, weil er wegen eines lückenhaft geführten Kalenders Zeiträume mehrfach belegt hat, dann sollte ihn bald der Zorn seiner Kollegen treffen. Dagegen spricht indes, dass die „wichtigen“ Leute ihre Kalender häufig führen lassen und sich nicht über schlecht organisierte Zeitgenossen ärgern müssen.
Elektronische Kalenderführung zeitigt oft seltsame Phänomene. Zum Beispiel fangen Leute an, ganze Tage oder große Stundenblöcke als belegt einzutragen, nur um nicht den ganzen Tag von einer Sitzung in die nächste stolpern zu müssen – was der Produktivität ja auch nicht besonders helfen würde. Papierne Kalenderführung unterstützt diese Balance eher, zumal niemand mit offenen Karten spielen muss, sondern einfach sagen kann, er habe zum vorgeschlagenen Zeit schon einen Termin – was niemand überprüfen kann. Manche Sitzungen will man ja auch lieber aufschieben, um ein Thema zu bremsen.