CeBIT-Impressionen
17. März 2007 von Wolfgang SommergutAlle Jahre wieder – kaum einer fährt angeblich gerne hin, aber dann trifft sich die IT-Branche doch wieder in Hannover. Auf den ersten Blick ist alles beim Alten: zahllose Aussteller auf einem Riesenareal, die Materialschlacht, der Lärm, die phantasielosen Claims und Produktnamen (siehe Nico Lummas treffendes Resumee). Andererseits zeigt die angestrengte Suche nach neuen Messekonzepten, dass sich die CeBIT in der bisherigen Form überlebt hat.
Innovation (fast) bis zum Bahnsteig, selbst wenn sich dahinter nichts verbirgt als rauchende Bedienungen und laute Rockmusik. |
Auf mich wirkt es mittlerweile anachronistisch, wenn Firmen mit Sack und Pack nach Hannover fahren und dort einen Stand aufbauen, um virtuelle Güter wie Software oder Services zu präsentieren. Das sollte sich online mindestens genauso gut machen lassen. Als besonderer Nutzen der CeBIT gilt indes, das man an einem Ort viele Kontakte herstellen und Informationen bekommen kann.
Mein Terminkalender war locker gefüllt, nachdem ich viele Gesprächsangebote eifriger PR-Agenturen ausgeschlagen hatte. Hier ein paar Eindrücke von Veranstaltungen und Gesprächen mit Firmenvertretern:
- Die meisten IT-Größen sind nach wie vor auf der CeBIT und es gehört zum Ritual, dass sie zumindest eine große Pressekonferenz ausrichten. Diese Veranstaltungen dienen primär dazu, Ankündigungen aus der letzten Zeit zusammenzufassen – wirklich Neues gibt es in der Regel nicht. Die Hauptpressekonferenz von Microsoft konnte nicht einmal diesem Anspruch genügen. Gleich zum Auftakt zeigte der Marketier Ralph Haupter seine Qualitäten als Phrasengenerator. Aus den Begriffen „Fokus“, „adressieren“, „Lösung“, „Markt“, „Plattform“, „Innovation“ und „Business“ schraubte er eine halbe Stunde lang weitgehend sinnfreie Sätze zusammen. Dabei achtete er sorgfältig darauf, dass kaum eine Konstruktion syntaktisch korrekt war und er jede idiomatische Redewendung verballhornte (die neue Wunderwaffe aus Unterschleißheim kann man hier in voller Aktion bewundern).
Auch sein Chef Achim Berg, der neue Geschäftsführer der Microsoft GmbH, bewies, dass er viel reden kann, ohne etwas zu sagen. Warum ist die CeBIT wichtig für Microsoft? Weil die CeBIT insgesamt wichtig ist. Vista und Office 2007 verkaufen sich angeblich prächtig, Zahlen wollte er aber nicht nennen. Es soll auch einen Zune-Player für den deutschen Markt geben – das kann noch in diesem Jahr sein, vielleicht auch später. - Für die meisten mittelständischen DMS-Anbieter scheint die CeBIT-Welt noch in Ordnung. Sie präsentieren ihre typischen Lösungen für die Erfassung, Workflow oder Archivierung von Dokumenten, wie man es seit Jahren kennt. Ich führte Gespräche mit Optimal Systems und Hohsoft. Beide verstehen sich als Technologiefirmen – und das in einem Bereich, in dem die Basistechnik durch die großen Infrastrukturanbieter (besonders Microsoft) und Open Source zunehmend entwertet wird. Hohsoft ist sogar stolz darauf, eine eigene Suchmaschine zu haben. Die Gesprächspartner beider Firmen reagierten mit wenig Verständnis auf solche Einwände. Die konservative Grundhaltung in dieser Branche zeigte sich auch darin, dass Hohsoft Fragen nach der Unterstützung für Web-Services oder WebDAV als exotische Anliegen betrachtete.
- Eines meiner interessantesten Gespräche auf der diesjährigen CeBIT hatte ich mit Harald Huber von der USU AG. Die Firma liegt ganz im Trend des Web 2.0, obwohl die Anfänge ihres KnowledgeMiner auf die Zeit des Knowledge-Management in den 90er Jahren zurückgeht. Aber das Konzept, das System anhand von Benutzeraktivitäten zu trainieren, wirkt sehr modern. Auf Basis von Suchbegriffen, mit denen der Anwender die gewünschten Dokumente findet, entwickelt die Software ein sematisches Netz. Der KnowledgeMiner kann damit auch Dokumente ermitteln, selbst wenn diese den Suchbegriff nicht enthalten. Das System hat nämlich festgestellt, dass die betreffenden Wörter in enger Beziehung zu solchen stehen, die in den Texten enthalten sind. Die Verknüpfung zwischen Begriffen wird verstärkt, wenn Benutzer die Suchergebnisse als zutreffend qualifizieren.
Kategorie: Firmenstrategien Ein Kommentar »
Meine Kollege Alexander Saar war Donnerstag da, ich werd erst Montag hinfahren. Aber sein Fazit war ähnlich. Immer weniger Firmen mit immer weniger kompetenten Standbetreuern.
Es gibt keine News mehr auf der CeBit, die man nicht schon kennt. Und: wichtige Teile der heutigen IT, die aus dem Umfeld von OSS oder Web 2.0 stammen, sind hier nicht vertreten. Die CeBit wird zum Museum für „old fashioned business“.
Ich hoffe, das wenigstens der Networking-Aspekt der Branche unter sich noch funktioniert, aber dafür müßte man eigentlich keine protzigen Stände aufbauen.