Collaboration im Tal der Ahnungslosen
23. August 2005 von Wolfgang SommergutNachdem mich der Geschäftsführer eines kleinen deutschen Softwarehauses mehrfach bedrängt hatte, um mir sein Collaboration-Tool vorzustellen, war es dann heute so weit: Während eines Telefongesprächs demonstrierte er seine Web-basierte Software. Das Erstaunliche daran: An der Firma scheinen seit Jahren wesentliche Entwicklungen im Web vorbeigegangen zu sein.
Hier ein paar auffällige Merkmale des Produkts, die mir in Erinnerung geblieben sind:
- Das Zentrum der Anwendung ist ein so genannter Team-Room, in den Texte eingegeben oder Dateien hinaufgeladen werden können. Jeder Eintrag findet sich anschließend als Punkt in einer nummerierten Liste.
- Bestehende Einträge können nicht bearbeitet werden.
- Kommentare können nur als separate neue Einträge verfasst werden, die über ein Referenzsystem mit dem gemeinten Text verknüpft sind. Eine zusammenhängende Darstellung von Diskussionsfäden wie etwa in Foren gibt es nicht.
- Das Referenzsystem verwendet spitze Klammern als Marker für Bezüge. Man kann sich ausmalen, zu welchen Komplikationen das in einer HTML-Umgebung führt.
- Die Oberfläche besteht aus einem Frameset mit vier oder fünf Rahmen. Um eine Art Echtzeitkommunikation zu simulieren, lädt sich die Seite per meta/@refresh mehrmals pro Minute neu.
- Eine Benachrichtigung über neue Einträge gibt es nicht. RSS war dem Gesprächspartner nicht bekannt.
Die Aufgabe der Software lässt sich insgesamt mit „Chronlogisch sortierte Darstellung von kurzen Texten plus optionale Dateianhänge“ beschreiben. Das erinnert doch irgendwie an Weblogs? Im Prinzip erfindet die Firma das Rad neu, nur schlechter. Ich frage mich, wie das passieren kann. Das sind keine Dummköpfe, sondern engagierte und gut ausgebildete Leute. Dieses Phänomen ist mir in der deutschen IT-Szene schon öfters begegnet: Kleine Firmen verfolgen eine Idee und verbarrikadieren sich dabei in ihrer engen Welt. Sie vergessen dabei, sich ein bisschen umzusehen und herauszufinden, was außerhalb passiert.
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„Kleine Firmen verfolgen eine Idee und verbarrikadieren sich dabei in ihrer engen Welt. Sie vergessen dabei, sich ein bisschen umzusehen und herauszufinden, was außerhalb passiert.“
Das macht betroffen. Gerade weil es mir auch schon begegnet ist. Andererseits zeigt es auch, wie sehr heute „Leute, die sich umsehen“ Ihren Wissens-Abstand zum Normalbürger vergößern. Ich selbst bin relativ gesehen auch Neuling und verfolge Themen wie Blogs und RSS seit etwa anderthalb Jahren, wobei das meiner Meinung nach mittlerweile ein ziemlich offensichtlicher und umfassender Trend ist. Die Statistiken belegen dies, etwa seit 1-2 jahren ist ein Durchbruch in der Nutzerzahl zu verzeichnen. Dennoch ist all dass selbst in IT-Firmen und bei Kollegen, die man so kennt, ganz zu Schweigen von IT-Verantwortlichen bei Kunden, noch häufig unbekannt. Da bleibt noch immer viel Lobby- und PR- Arbeit zu leisten. Aber es macht Spaß, darüber zu informieren und man spürt das spontane Interesse der Zuhörer.