Der atemberaubende Schwund von Content-Management-Anbietern: FileNet gekauft
11. August 2006 von Wolfgang SommergutDie IBM schnappt sich für 1,6 Mrd. Dollar einen der letzten selbständigen ECM-Anbieter. Nachdem Opentext Hummingbird geschluckt hat, bleiben die Kanadier unter den Top 5 als letzter unabhängiger ECM-Spezialist übrig. Beide Deals erscheinen fragwürdig, aber besonders auf die FiletNet-Übernahme durch die IBM kann sich spontan fast niemand einen Reim machen. Hier ein paar Stimmen und Gedanken zu der Akquisition:
- Wenn man erfahren will, wie der FileNet-Kauf der IBM nutzt, dann gibt die IBM-Pressemitteilung am wenigsten Aufschluss:
Eine Konvergenz von Herausforderungen, mit denen sich das Business heute konfrontiert sieht … (blabla) … IBMs Übernahme von FileNet zielt darauf, die Information-on-Demand-Initiative voranzutreiben … (blabla) … Kunden profitieren von den kombinierten Fähigkeiten der beiden Firmen … (blabla) … IBM baut auf die fortgeschrittenen CM-Technologien der beiden Unternehmen auf … (blabla) .. hochwertige Lösungen … (blabla)
Pressemitteilungen sind bei solchen Anlässen meist etewas luftig, aber hier mussten die Marketiers besonders viel Füllmaterial verwenden. Die einzigen halbwegs konkreten Aussagen lauten: FileNet wird in die Einheit „Information Management“ von General Manager Ambuj Goyal integriert; sowohl die ECM-Produkte von IBM und FileNet werden weiterentwickelt (wie lange?); die Berater der IBM Global Service werden in beiden Systemen geschult.
- Die zwei häufigsten Interpretationen lauten, dass IBM sich nur Marktanteile kaufen wollte (weil sie fast alles hat, was sie nun mit FileNet erhält), beziehungsweise dass die IBM ihr inkosistentes und unübersichtliches ECM-Portfolio nicht unter einen Hut bekommt und nun bessere Technologie zukauft. Letzteres vertritt der Analyst Terry Schurter von Bloor Research, in dessen Augen besonders die BPM-Kompetenz von FileNet für IBM von besonderem Interesse war. Sue Clarke von der Butler Group hat in ihrer Rund-Mail zwar keine schlüssige Erklärung für den Deal, hält ihn aber für einen bloßen Kauf von Marktanteilen zu teuer.
- Angesichts der rasanten Konsoliderung des ECM-Marktes war absehbar, dass die mittelgroßen Spezialisten in diesem Segment potenzielle Übernahmekandidaten sind. Nach dem Kauf von Hummingbird blieben unter den führenden Anbietern nur mehr FileNet und Opentext als unabhängige ECM-Anbieter übrig. Auf der UserNet-Konferenz, die im Juni in Berlin stattfand, hatte CEO Lee Robert noch davon gesprochen, seine Firma sei „laser focused“ auf ECM und könne dank großer Investitionen den IT-Größen Paroli bieten. Er wollte eine eventuelle Übernahme nicht ausschließen, aber kaum jemand dachte wohl an die Möglichkeit, dass IBM der Käufer sein würde. Ich hielt Oracle für einen wahrscheinlichen Kandidaten, nachdem die vollmundigen „Tsunami„-Ankündigungen nur zu bescheidenen Ergebnissen geführt hatten. Die SAP wäre ebenfalls in Frage gekommen, auch wenn die wegen des Ixos-Hintergrunds Opentext näher steht. Aber die IBM?
Whilst it was always on the cards that FileNet would be acquired at some stage, it is rather surprising that IBM is the vendor to snap it up.
(Sue Clark) - Von wegen Nutzen für die Kunden, weil sie von den kombinierten Fähigkeiten der beiden Unternehmen profitieren: Priscilla Emery von CMS Watch beklagt nicht nur, dass Kunden aufgrund der Marktkonsolidierung immer weniger Auswahl haben. Vor allem bei Übernahmen mit einer so großen Produktüberlappung wie zwischen IBM und FileNet (oder Opentext und Hummingbird) dürfen sich die Anwender wundern, wo die von ihnen genutzte Software innerhalb eines konsolidierten Portfolios in ein paar Jahren auftaucht.
Kategorie: Content-Management Ein Kommentar »
Hallo Herr Sommergut,
vielleicht bringen wir ja auf der DMS Expo etwas Licht ins Übernahmegetümmel.
Ein Gespräch mit Hummingbird können wir gerne verabreden – am Freitag vor der Messe ist ja die Aktionärsversammlung auf der bezüglich des Übernahmeangebotes von OpenText entschieden wird.
Beste Grüße
Wibke Sonderkamp