Deutschsprachige Publikationen entdecken RSS
16. Januar 2004 von Wolfgang SommergutWährend RSS-Feeds bei Blogs zur Standardausstattung gehören, beschränkten hierzulande konventionelle Publikationen ihren Schlagzeilen-Service lange Zeit auf Newsletter. In den letzten Wochen des Jahres 2003 kam indes Bewegung in die Verlage, gleich drei der großen Wochenpublikationen kündigten RSS-Feeds an. Nach dem Spiegel wagten auch der Stern und die Zeit diesen Schritt.
Nachholbedarf in puncto RSS gab es aber auch noch bei IT-Fachpublikationen.
Stark techisch ausgerichtete Verleger wie Heise gehörten zu den deutschsprachigen Vorreitern bei RSS, reine Online-Publiktionen wie Golem oder ZDNet zogen mit einigem Abstand nach. Anfang letzter Woche gab nun auch die Computerwoche bekannt, dass ihre Online-News per RSS abgerufen werden können. Nach und nach stehen die Schlagzeilen vieler wichtiger deutschsprachiger Informationsquellen als RSS-Feed zur Verfügung.
Was bedeutet das für die Lesegewohnheiten? Derzeit werden RSS-Reader fast ausschließlich von einer Informations-Avantgarde genutzt. Längerfristig könnten solche Tools bei einer größeren Verbreitung erhebliche Auswirkungen auf traditionelle Publikationen haben. Sie wären mit jenen vergleichbar, wie sie die Musikindustrie durch MP3-Tauschbörsen zu spüren bekam. Die Plattenfirmen betrachteten die Zusammenstellung eines Albums stets als Teil der künstlerischen Tätigkeit. Im Zeitalter von MP3 hat die „Dramaturgie“ einer CD ihre Bedeutung weitgehend verloren, der Konsument stellt sich stattdessen lieber seine eigene Playlist zusammen.
Ähnliches könnte sich für Zeitungen und Zeitschriften abzeichnen. Der Leser komponiert dann analog zur Playlist seine eigene virtuelle Publikation: den politischen Teil von der Süddeutschen, das Feuilleton von der FAZ und die IT-Nachrichten von der Computerwoche. In einem solchen Szenario würde sich die durch die Marke repräsentierte Einheit und Identität einer Publikation auflösen. Sie wird nämlich wie in der Musikindustrie primär durch das physische Medium gestiftet: Was dort die CD ist hier die Printausgabe. In der gedruckten Ausgabe ist der Themenmix noch ein wesentliches Markenzeichen einer Redaktion, unter den Bedingungen der Playlist geht dieses aber verloren.
Kategorie: Medien und Web-Dienste, RSS 6 Kommentare »
Fragt sich nur, wohin das führen soll. Denn die originären (?) Inhalte liefern ja immer noch sowohl die Plattenfirmen und die Publikationen. Und verdienen damit ihr Geld, als Mittler zwischen den Musikern und Autoren und den Hörern und Lesern.
Sobald die Verlage merken, dass sie sich mit RSS selbst das Wasser abgraben und nicht wie heute noch die Besucherzahlen auf ihren Websites in die Höhe treiben, werden sie diese Angebote vermutlich weit schneller wieder einstellen als sie sie installiert haben.
Es muss sich langfristig zeigen, ob Playlists und RSS (oder auch Dienste wie news.google.de) dazu führen, dass Labels und Verlagen die wirtschaftliche Grundlage entzogen wird. Bzw. ob das Netz an ihre Stelle treten kann, um den eigentlichen Urhebern der Inhalte, eben den Musikern und Schreibern, wiederum die ökonomische Existenz zu sichern.
Was ich noch nicht sehe, denn die allermeisten Konsumenten sind schlicht zu passiv, als dass der kanalisierende Vermittler Label/Verlag als Zwischenstation entfallen könnte. Schon der Einsatz eines RSS-Readers erfordert ja, dass ein Leser weiß, wo er die für bestimmte Bereiche relevanten Informationen am besten herbekommt. Nicht umsonst fiel der Begriff „Informations-Avantgarde“.
Thomas, ich sehe zwischen RSS, Websites und Newslettern keinen essentiellen Unterschied in Bezug auf die „ökonomische Existenz“. Bislang ist das meiste kostenlos und die wenigsten können ihre Inhalte mit Hilfe von Werbung finanzieren. RSS bietet die Möglichkeit, etwas mehr Traffic auf der eigenen Website zu erzeugen und dann vielleicht auch ein paar Cent zusätzlich mit Werbung einzunehmen.
Besonders innovativ zeigt sich in Sachen RSS die Wochenzeitung „Die Zeit“, die sogar die RSS Feeds dazu nutzen will, ein neues Paid-Content-Angebot zu vermarkten.
Leider werden die meisten RSS Feeds der deutschen Medienangebote noch nicht nach Rubriken sortiert. Mir gefällt in dieser Hinsicht bislang das Zeit-Angebot am besten.
>> siehe auch: http://www.cydome.de/klauseck/archives/000027.html
Mensch,
Du hast du CW vergessen, die macht jetzt auch mit RSS rum.
Gruß
Bernd
nehme alles zurück mit der CW.
Aber erst im 2. Absatz erwähnt.
Gruß
Bernd
„Die Plattenfirmen betrachteten die Zusammenstellung eines Albums stets als Teil der künstlerischen Tätigkeit.“
Tatsächlich entspricht das den Copyright-Bestimmungen. D.h. jede neue Zusammenstellung per RSS müßte auch wieder selbst geschützt sein, oder?