Die Open-Source-Logik von Knallgrau
28. Dezember 2005 von Wolfgang SommergutKurz vor Weihnachten kündigte die Wiener Agentur Knallgrau an, ihre Blog-Software als Open Source freizugeben. Sie dient u. a. als Basis für twoday.net. Die Reaktionen waren überwiegend positiv und nach dem Muster „Glückwunsch zu diesem richtigen / mutigen Schritt“. Nachdem bei Knallgrau clevere Leute am Werk sind, haben sie ihre Software bestimmt nicht aus bloßer Begeisterung für Open Source freigegeben. Ich versuche ich hier, die geschäftlichen Überlegungen nachzuvollziehen, die dafür maßgeblich gewesen sein könnten .
Ein wesentlicher Beweggrund, die Weiterentwicklung einer geschlossenen Software in Frage zu stellen, sind die Kosten. Wenn bei 20 Mitarbeitern nur einer hauptsächlich mit der Programmierung beschäftigt ist, dann stellt dies schon eine erhebliche Belastung dar. Was ist also der Gegenwert? Setzt die Software Geschäftsprozesse um, die vor der Konkurrenz verborgen werden müssen? Enthält sie aufwändig entwickelte Algorithmen, die sonst niemand kennt? Ist die Software mithin ein Business Differentiator oder nur eine Enabling Technology? Im Fall von Knallgrau dürften sich diese Fragen schnell beantworten lassen. Software auch für große Weblog-Installationen ist Commodity, wie etwa WordPress oder diverse freie Content-Management-Systeme belegen.
Verschenkt Knallgrau also seine Kernkompetenz? Das glaube ich nicht. Denn die besteht wie bei vielen Open-Source-Firmen darin, Services auf Basis der Software zu bieten. Bei Knallgrau sind das nicht der sonst oft übliche Support oder individuelle Anpassungen, sondern der Betrieb einer Medienplattform. Die Entscheidung könnte lehrbuchmäßig nach der Anleitung von Bruce Berens oder Eric Raymond erfolgt sein.
Mir ist allerdings nicht ganz klar, warum man auf eine BSD-ähnliche Lizenz gekommen ist, nachdem es schon vor einem Jahr Überlegungen in Richtung GPL gegeben hat. Diese gilt zwar als geschäftsfeindlich, wird aber paradoxerweise von einigen Firmen genutzt, die sich neuerdings mit dem Etikett „Commercial Open Source“ schmücken. Das gilt etwa für MySQL oder Jboss (LGPL). Sie wollen mögliche Wettbewerber dazu zwingen, eigene Entwicklungen an das Projekt zurückzugeben.
Kategorie: Firmenstrategien, Open Source 2 Kommentare »
BSD-Style wegen der Kundenprojekte?! Ansonsten müsste man ja alle Änderungen für zB. Weblife der Telekom Austria auch unter der GPL freigeben. Zumindest klingt das in meinen Ohren sehr plausibel.
folgende gründe gab es:
1) der lizenztext ist bei weitem kürzer – und ich versteh‘ ihn!
2) ja, kommerzielle projekte. es stimmt jedoch nicht dass wir den TA code veröffentlichen müssten – zumindest so lange wir nicht anderen unter der GPL stehenden code in das grundprodukt einbauen. Die TA oder irgendein anderer kunde wäre nicht glücklich mit einer BSD oder GPL: „…ANY EXPRESS OR IMPLIED WARRANTIES, INCLUDING, BUT NOT LIMITED TO, THE IMPLIED WARRANTIES OF MERCHANTABILITY AND FITNESS FOR A PARTICULAR PURPOSE ARE DISCLAIMED…“
3) der hauptgrund zu open source ist jedoch „aus bloßer Begeisterung für Open Source“
4) eine breitere benutzerbasis ist ein wichtiges entscheidungskriterium bei der auswahl einer plattform. das heisst konkurenz ist gut.