Dvorak bestreitet die Existenz von disruptive technologies
4. August 2004 von Wolfgang SommergutJohn C. Dvorak, umstrittener Kolumnist des PC Magazine, stellt in einem kürzlich erschienen Text die Existenz von Disruptive Technologies in Abrede. Dieser Begriff stammt von Clayton Christensen, der ihn in seinem Buch The Innovator’s Dilemma entwickelt hat. Dvorak versucht das Konzept mit plumpen Beispielen zu widerlegen. Er beweist damit aber primär, dass er es nicht verstanden hat.
Disruptive Technologies zeichnen sich nach Christensen dadurch aus, dass sie zum Zeitpunkt ihres ersten Erscheinens den herkömmlichen Technologien unterlegen sind, aber das Potenzial haben, bei niedrigeren Preisen eine höhere Leistung zu erbringen. Die Crux für etablierte Firmen besteht darin, dass sie auf paradoxe Weise Gefangene ihres Erfolgs sind: Selbst wenn sie die Gefahr durch neu auftauchende disruptive technologies erkennen, können sie der Herausforderung oft nicht begegnen.
Ihre Kunden verlangen nämlich so lange die bewährten Produkte, als sie den neuen überlegen sind. Als ein typisches Beispiel gilt Digital Equipment (DEC), das die PC-Revolution verschlafen hat. Aber DEC hätte kaum die Gelegenheit gehabt, den Käufern von Midrange-Systemen einen PC als Alternative anzubieten. Der hätte ihren Anforderungen nicht genügt. Als der PC schließlich zu einem ersthaften Arbeitsgerät heranreifte, hatten bereits neue Firmen wie Compaq diesen Markt besetzt. Der Klappentext von Christensens Buch fasst das Dilemma von erfolgreichen Firmen kompakt zusammen:
At the heart of The Innovator’s Dilemma is how a successful company with established products keeps from being pushed aside by newer, cheaper products that will, over time, get better and become a serious threat. Christensen writes that even the best-managed companies, in spite of their attention to customers and continual investment in new technology, are susceptible to failure no matter what the industry, be it hard drives or consumer retailing.
Das Konzept der disruptive technologies wird zunehmend vom Marketing entdeckt, besonders jedoch von Firmen, die Underdogs in einem bestimmten Markt sind. So reklamiert etwa MySQL diese Eigenschaft für sich, obwohl es eine konventionelle SQL-Datenbank anbietet.
Dvorak nutzt derartige Beispiele, um das ganze Konzept ins Lächerliche zu ziehen:
At the top of the list are electric cars supplanting gasoline vehicles. On what planet? Internet sales supplanting bookstores. Hmm, Barnes & Noble is packed with people. Restaurants are being affected by the disruptive technology of grocers‘ takeout. Are you laughing yet? Motorcycles being affected by the disruptive technology of dirt bikes—does anyone see a pattern here?
Aber wie wäre es zum Beispiel mit Online-Publikationen, die Zeitungen und Zeitschriften zu verdrängen beginnen? Sie sind billiger, weil das Online-Publizieren weit weniger Aufwand erfordert als die Produktion eines Printmediums. Aber sie konnten am Anfang der etablierten Konkurrenz nicht das Wasser reichen, weil noch zu wenige potenzielle Leser das Internet nutzten, weil die schmalbandigen Zugänge die multimedialen Fähigkeiten des Web drosselten oder weil anfängliche Publiziergewohnheiten die Vorzüge des Hypertextes nicht ausspielten. Aber nun beginnt das Online-Medium als ehemals billiges, aber minderwertiges Medium sein überlegenes Potenzial auszuspielen. Und einigen etablierten Verlagen wird es ergehen wie ehedem DEC.
Ähnliches ließe sich auch über MP3 sagen. Herr Dvorak würde wohl einwenden, dass die Regale bei WOM mit CDs und DVDs prall gefüllt seien und die Vorstellung von MP3 als disruptive technology purer Unsinn wäre. Die Entkopplung von Tonträger und Musik ist aber nicht mehr aufzuhalten. Die Musikindustrie weiß ein Lied davon zu singen.
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