Firmen sabotieren ihre eigenen Mail-Systeme
13. Juli 2004 von Wolfgang SommergutDas Problem ist weit verbreitet und dringt doch allzu selten ins Bewusstsein der Verantwortlichen: Moderne Messaging-Systeme, die viel mehr können als nur E-Mail, führen oft ein nur Schattendasein. Angesichts des üppigen Speicherplatzes, den Freemailer wie Gmail mittlerweile anbieten, wirken beispielsweise die üblichen Beschränkungen von firmeneigenen Mail-Systemen mehr als antiquiert.
Chris Miller weist darauf hin, dass viele Unternehmen gerade einmal 50 MB pro Mail-Datenbank spendieren – ein Grenzwert, der nach meinen Erfahrungen gar nicht so selten gesetzt wird und der im Vergleich zu Googles 1GB ziemlich lächerlich wirkt. Angesichts der niedrigen Preise für Speichersysteme scheint eine solche Politik schwer verständlich. Es würde mich daher nicht überraschen, wenn immer mehr dieser geknebelten Mail-User in der Arbeit ein Freemail-Konto nutzen, um Nachrichten mit wuchtigen Anhängen zu empfangen oder generell Mails zu archivieren.
Fehlende oder schlecht konfigurierte Spam-Filter lassen interne Mail-Systeme im Vergleich zu den gehosteten Lösungen zusätzlich schlecht aussehen. Insgesamt zeichnet sich nach meiner Auffassung ab, dass in ein paar Jahren nur mehr große Unternehmen ihre eigenen Messaging-Systeme betreiben werden. Die Kleinen können mit der Qualität der gehosteten Lösungen nicht mehr mithalten, der Aufwand für eine halbwegs zeitgemäße Messaging-Infrastruktur übersteigt ihre Möglichkeiten. Ein Indiz dafür ist, dass Microsoft nun Mail als Hosting-Service für kleine und mittlere Firmen anbieten will – und das, obwohl Bill Gates eigentlich daran interessiert sein müsste, möglichst viele Exchange-Lizenzen zu verkaufen.
>> siehe auch Ed Brill
Kategorie: Messaging und Collaboration, Spam 10 Kommentare »
Was den Speicherplatz angeht, finde ich diese Ansicht etwas… überzogen. Sicherlich sind 50MB nicht viel, andererseits: Wer benötigt wirklich ein Gigabyte Speicherplatz für seine eMails? Wenn Guglhupf Inc. jetzt einen Freemailer mit 1 Terabyte Speicherplatz anbietet, wirkt das Angebot von Google dann auch unterdimensioniert? Setzt neuerdings auch hier die theoretisch mögliche Menge die Standards und nicht der tatsächliche Nutzen?
50MB sind nicht viel, das ist wahr. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass es für den „normalen Angestellten“ doch zumindest ausreichend ist.
Im Bereich der Spamfilter stimme ich aber zu.
Mit „“normalen Angestellten““ bringst Du das Problem auf den Punkt: Sind das 50%, 70% oder 90% der User? Im Endeffekt müssen nur ein paar leitende Angestellte bei der Geschäftsführung rumnölen, und schon steht die ach so ausgeklügelte, vernünftige und kostensparende Messginglösung zur Disposition.
Die interne IT konkurriert heute ganz einfach mit dem (Outsourcing-)Markt – und wenn der ein attraktiveres Angebot bietet, dürfte es schwierig sein, die Geschäftsführung von der hausinternen Schmalspurlösung zu überzeugen.
Finde ich ganz passend, bekommt mein Frau heute schon den ganzen Tag.
http://www.domnotes.de/images/2004-07/hotmail.gif
Im übrigen ist die 50 MB Mailbox eigentlich ein „Exchange Problem“. Im Dominobereich ist die Mailboxgröße in der Regel um einiges höher (böse Zungen behaupten das liegt an der schlechten Archivierungfunktion und ich will dem nicht widersprechen).
Außerdem ist Speicherplatz im Serverbereich, wo immer noch SCSI eine gute Rolle spielt gar nicht „soo billig“.
Und das gute DLT Band kostet auch 100 Euro, wird täglich gewechselt und ein Monatsband zurückgelegt. Viele Firmen sichern auch immer noch nicht inkrementell.
In der Tat geht der Trend zu mehr Outsourcing. Die Tatsache, das aber oft der günstigere Preis mit Methoden erzielt werden, die in der eigenen Firma undenkbar wären, wird dabei oft außer acht gelassen (zumindest im unteren Preissegment).
Controller rechnet:
10.000 Server mit Raid 5 Systemen, wovon ca. 2.000 Mailserver sind
á X Gbyte
Laufzeit: ca. 3-4 Jahre
Kaufentscheidung wird getroffen und dann geht Rollout mit einem Budget von sagen wir einmal 100 Mio los (was bewusst niedrig angesetzt ist, wir wollen ja nicht übertreiben)
2 Jahre nach Invest kommt GMail mit 1 Gbyte und Manager rumpelt los.
Controller sagt: ok, mach weitere 5 Mio locker für Upgrade der Platten incl. Stunden, Fahrten, Support, etc…, die dazu nötig sind. Zudem muss Hardware durchgetestet werden und natürlich das Testcenter sämtliche Anwendungen checken. Macht nochmals 10 Mio. Also 15 Mio. Dann sind wir auf Stand GMail. Ach so, da war noch was: da Quotas auf 1Gbyte erhöht werden, müssen laut Netzexperten dem Userverhalten entsprechend alle Leitungen erweitert werden. Das macht nochmals ca. 30 Mio aus. So kommen wir auf 45 Mio.
etc etc etc
Ein bewusst grosses Beispiel gewählt, um die Konsequenzen zu verdeutlichen, warum grosse Mühlen langsam mahlen.
Zumindestens für Grossunternehmen kann ich mit der Aussage „Moderne Messaging-Systeme, die viel mehr können als nur E-Mail, führen oft ein nur Schattendasein. Angesichts des üppigen Speicherplatzes, den Freemailer wie Gmail mittlerweile anbieten, wirken beispielsweise die üblichen Beschränkungen von firmeneigenen Mail-Systemen mehr als antiquiert“ wenig anfangen, da sie schlichtweg mit der Philosophie so nicht finanzierbar ist.
Interessanter Gedanke. Wie nennen wir die? Mail-Punks? Bandwith-Guerilleros? Storage-Dissidenten?
Eigene Mailsysteme kosten einen enormen Aufwand im Betrieb. Das ist wahr.
Im Vergleich zu den gehosteten Lösungen haben die gedrosselten Mail-Systeme von Unternehmen häufig noch ein zusätzliches Manko: Sie sind von außerhalb der Firma nicht erreichbar, weil sich IT-Abteilungen von den möglichen Sicherheitsproblemen abschrecken lassen.
@Robert: In der Tat ein sehr großes Beispiel. Könnte die Installation von Gmail sein :-) Eine Firma wie Microsoft kommt unter Exchange 2003 weltweit mit einer dreistelligen Anzahl von Servern klar. Die haben rund 20000 Mitarbeiter, der Plattenplatz pro User dürfte wohl etwas über 50MB liegen. Oracle, das die Trommel für die Konsolodierung von Mail-Systemen rührt, kommt für den ganzen Konzern mit einem Oracle-Cluster aus (darauf läuft die Oracle Collaboration Suite und er steht in Kalifornien, wegen der Erdbebengefahr gibt es in Texas noch einen Standby-Server).
@cmi: Ein vernünftiges Limit bemisst sich nicht unbedingt am Angebot der Guglhupf Inc. Aber ich glaube, dass viele Mail-User in den Firmen immer wieder mit der Quota zu kämpfen haben. Selbst 100MB sind bei regelmäßigen PPT- und PDF-Anhängen bald erschöpft.
Dadurch, dass die Mitarbeiter in der Regel ihre Mailbox als Ihren einzigen Freiraum betrachten können – nur dort sind sie zu 100% Herr über die Zugriffsrechte, nutzen sie die Mailbox als alternatives, persönliches Dateisystem. Mit zur Zeit noch besserer Such- und Replikationsfunktion – und auch Backup macht die Firma ja automatisch immer mit.
Schade, dass Unternehmen nicht Erkennen, dass sie durch die Einschränkungen, die sie auferlegen, ihre Mitarbeiter zu so einer Nutzung zwingen.
In die Mailbox gehört meines Erachtens nur persönliches. Nicht aber die Daten, die besser in Weblogs und Wikis abgelegt werden sollten, die von der Mitarbeitern verwaltet werden sollten und dort für alle zur Verfügung stehen sollten.
siehe auch >>> http://www.hirschgarden.de/blog/weblog.php?id=P108
@Wolfgang S.: Microsoft hat einige interessante Daten über sein Mailsystem veröffentlicht: http://www.microsoft.com/technet/itsolutions/msit/consolidation/ex2003siteconwp.mspx
Demnach sind es nach der letzten Konsolidierung 36 Server auf 7 Sites, 100.000 Mailboxen und 200 MB pro User.
Bei einer Lösung wie der von Oracle wäre noch interessant zu wissen, welche Netzwerk-Infrastruktur die haben. Wenn man bedenkt, dass bei MS täglich 12 Millionen Mails mit durchschnittlich 44 KB durchlaufen, darf man diesen Aspekt neben dem reinen Serveraufwand wohl nicht unterschätzen.
die Daten von oben hatte von meiner alten Firma. Eines der größten Nadelöhre waren die Leitungen und eben die Server. Dmait habe ich versucht ansatzweise aufzuzeigen, welche Parameter eine Rolle spielen, wenn man grössere Mailfächer fordert. Dazu kommt der Support, die Bandsicherungsprobleme etc… leider habe ich keine aktuellen Daten dazu, was ein MByte an IT Kosten erzeugt. Es gibt aber in der Tat einen ökonomisch nicht unwichtigen Zusammenhang zwischen Mailquotas und IT Kosten.