Hype versus Erfolg einer Technologie

9. Januar 2004 von Wolfgang Sommergut

Tim Bray, einer der Väter des XML-Standards, setzt sich mit Faktoren auseinander, die nach allgemeiner Überzeugung für den Erfolg einer Technologie entscheidend sind. Auf Basis einer „Technology Predictor Success Matrix“ geht er der Frage nach, welche Rolle dabei die Zustimmung des Managements, das Versprechen auf einen schnellen Return on Investment, Standardisierung und eine positive Resonanz in der Presse spielen. Er kommt zu überraschenden Ergebnissen.

Der Zeitpunkt für eine solche Analyse ist gut gewählt, sehen sich doch viele Analysten zu Jahresbeginn genötigt, die Trends und Ereignisse für die nächsten 12 Monate vorherzusagen.
Tim Bray interessiert allerdings nicht, ob die Propheten dabei Recht behalten oder nicht. Vielmehr betrachtet er die Urteile von Analysten genauso wie die Berichterstattung der Presse als Faktoren, die über den Erfolg einer Technologie bestimmen können.

Anhand ausgesuchter Technolgien der letzten 20 Jahre zeigt er, dass es nicht reicht, wenn Journalisten oder Analysten in Begeisterung verfallen. Umgekehrt führt die Missachtung durch Medien und Marktbeobachter längst nicht in die Bedeutungslosigkeit.
Beispiele: Künstliche Intelligenz, interaktives Fernsehen oder virtuelle Realität (VRML) haben/hatten alle das Zeug, um auf die Titelseite des Wall Street Journal zu kommen. Dennoch zählt sie Tim Bray zu den Verlierern. Umgekehrt fehlt Unix, C oder XML diese öffentliche Wirksamkeit, trotzdem wurden sie ein Erfolg.

Dass der Einfluss von Presse und Analysten nicht so groß ist, wie manche vielleicht glauben, ist noch keine neue Einsicht. Aber welche Faktoren sind dann entscheidend? Die Zustimmung des Managements offenbar auch nicht. Das Versprechen der 4GL-Anbieter „Software entwickeln ohne zu programmieren“ dürfte leicht die Symphatie von Entscheidern und Budgetverantwortlichen finden/gefunden haben. Trotzdem gehört 4GL längst zu den Verlierern der IT-Geschichte. Umgekehrt mögen vor ein paar Jahren Leute gefeuert worden sein, weil sie Open Source einsetzten. Freie Software stieß nämlich im Management lange Zeit auf wenig Gegenliebe, heute gehört sie unübersehbar zu den Gewinnern.

Was entscheidet dann über Erfolg und Misserfolg? Das Versprechen auf einen schnellen Return On Investment? Auch da finden sich ehemals vielversprechende Verlierer und unterschätzte Gewinner. Tim Bray etwa meint, dass kaum jemand dem PC, dem WWW oder Java große Aussichten beim ROI zugetraut hätte. Über ihren Erfolg braucht man dennoch nicht zu diskutieren.

Als letzten möglichen Erfolgsfaktor untersucht Tim Bray die Standardisierung einer Technologie. Der Segen eines anerkannten Gremiums sollte Anwendern doch genug Vertrauen einflößen. Aber auch hier braucht man nicht lange nach Gegenbeispielen zu suchen: Die Geschichte des Microsoft-Erfolgs ist eine von proprietären Technologien. Umgekehrt sind die vergessenen und gescheiterten Standards Legion.

Auch wenn man in der Bewertung der einzelnen Beispieltechnologien innerhalb der Matrix mit Tim Bray diskutieren könnte, leuchten die Ergebnisse ein. Die meisten stellen für sich alleine keine Sensation dar, relativieren aber die Bedeutung der gemeinhin als wesentlich erachteten Erfolgsfaktoren. Wir wissen nun, was nicht zwingend für den Erfolg/Misserfolg von Technologien verantwortlich ist. Aber worauf kommt es dann tatsächlich an? Diese Frage scheint sich nicht so einfach beantworten zu lassen.

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