Jedes Ökosystem hat seine Aasgeier – auch die Blogosphere

18. November 2004 von Wolfgang Sommergut

Ich bin ja nur ein Depp, der keine Ahnung hat … Wenn sich ein Autor selbst so treffend charakterisiert, dann fragt man sich, warum er das Schreiben nicht lieber bleiben lässt. Aber dieser hier hat einen besonderen Auftrag: Er taucht überall auf, wo es nach Verwesung stinkt und bricht in Triumpfgeheul aus, wenn andere scheitern. Schadenfreude ist schließlich die schönste Freude – zumindest für bestimmte Charaktere.

Über Jahre ergötzte sich der Schreiber mit dem Edelmann-Pseudonym über das Ende von Startup-Firmen. Mittlerweile sind die meisten Dotcom-Unternehmen jedoch bestattet. Damit brechen schwere Zeiten an für jenen, der sich publizistisch von Verwestem ernährt. In der Not frisst der Teufel Fliegen und unser Nekrophage muss sich schon an den Überresten eines stinknormalen Team-Blogs delektieren. Weil die Freude mit der Größe des Schadens steigt, bläst er cyDome zu einem kommerziellen Projekt auf. Dafür gibt es zwar keinerlei Evidenz, nicht mal magere Google-Adsense-Anzeigen. Und dass andere schon Wochen vorher die Auflösungserscheinungen von cyDome bemerkt haben, kann ihm den Spaß auch nicht verderben.
Wer allerdings meint, dieser Herr sei nur von niedrigen Instinkten getrieben, tut ihm Unrecht. In Wirklichkeit ist er ein furchtloser Kämpfer gegen die dunklen Mächte des Content-Business. Als die Inkarnation des Bösen hat er Content-Syndikatoren ausgemacht. Die meisten von ihnen wurden glücklicherweise während des Dotcom-Sterbens hinweggerafft und unser Freund hat sich an ihren Kadavern gütlich getan. Seine wahre Natur ist die eines Rebellen, und zwar eines Rebellen ohne Markt – wohlgemerkt nicht gegen den Markt, sondern ohne Markt. Solchen Rebellen kann geholfen werden: Wie wäre es mit einem Flohmarkt?
In seinem unerbittlichen Kampf gegen Content-Geschäftemacherei bestimmt er, was mit digitalen Inhalten erlaubt ist und was nicht. Wagt es ein Blogger, sich mit einem Verlag einzulassen, dann scheut er nicht einmal vor denunziatorischen Mitteln zurück. Anderseits darf man aber mit geistreichen Büchern Geld verdienen, in denen Blogger Vom Treffen mit dem Teufel über Liebe und Sex bis zum Kochrezept und zur Literatur erzählen.
Liebe Blogger, habt Mitleid mit diesem Mann! Solltet ihr euer Weblog aufgeben, dann verständigt den Rebellen ohne Markt – damit sich wenigstens einer darüber freuen kann.

Kategorie: Weblogs und Wikis 3 Kommentare »

3 Antworten zu “Jedes Ökosystem hat seine Aasgeier – auch die Blogosphere”

  1. Jaja, wenn der furchtlose Rächer mal wieder zuschlägt, dann wackeln die Pappeln…
    Was mich aber doch mal interessieren würde, wäre ein Erfahrungsbericht. Vielleicht könnten sich alle Cydome-Blogger zum Abschluss noch mal zusammentun und etwas aus dem Nähkästchen plaudern? Was hat geklappt, was nicht? Wo werden die Vorteile einzelner Blogs gegenüber Cydome gesehen? Grundsatzentscheidungen über Layout und CMS? Kann keiner den anderen mehr riechen (wobei Blogs da kein Problem sein sollten)?
    By Cydome war die Persönlichkeit der einzelnen Blogger ja eigentlich schon sehr prominent herausgestellt. Und US-Dienste wie Always On oder Red Herring schaffen es irgendwie auch, unterschiedliche Themen und Temperamente unter einen Hut zu bringen.

  2. Ich finde es immer wieder witzig, was für eine Gerüchteküche die Blosphere doch ist. Abgeschlossen ist vorerst eigentlich noch gar nichts.

  3. Klaus Reuer sagt:

    Und jedes Ökosystem hat seine „wir sind die Größten“ Willies.
    Man, ihr nehmt euch alle sooo wichtig, weil ihr in der Lage seid, ohne Wegweiser den Einschaltknopf eines Computers zu finden, kluge Worte in Blogs zu drechseln und nebenbei sogar noch für unterirdische Computer-Postillen oder ähnliches zuschreibt. Applaus …
    Da tut es ganz gut, wenn ihr mal geerdet werdet. Gell, das kribbelt so schön am ganzen Körper, wenn das selbstaufgebaute Realitäts-Vernebelungs-Feld zusammenbricht, oder? Schön zu sehen, wie die Fassade der professionellen Selbstdarsteller und „ich habe auch ein Buch geschrieben“-Macker blättert und gar garstige Worte fallen, wenn mal jemand (noch dazu von der eigenen Zunft) an der richtigen Stelle den Realitätschluß herstellt.
    „Kein Kriegsplan überlebt den ersten Zusammenstoß mit dem Feind“ sagte mal ein deutscher General. Tja, der Plan, sich mit cyDome das Journalisten- und Berater-Profil zu polieren, dürfte durch den Zusammenstoß mit dem Feind, auch bekannt unter der Bezeichnung „Realität“, gescheitert sein. Ein neuer Plan muß her. Ob die Idee, mit bösen Worten auf den Überbringer der schlechten Nachricht einzuschlagen, ein wirklich guter neuer, zielgerichteter Plan ist, darf bezweifelt werden.

    PING:
    TITLE: War of the Words
    BLOG NAME: teezeh dot info
    This is quite entertaining…

    PING:
    TITLE: Empfindsame Rebellen. Oder: Bloghygiene mit Febreeze
    BLOG NAME: Wolfgang Miedl
    Auf dem Markt für Rebellen ohne Markt geht es bisweilen heiss her. Überall da, wo Blogger Alphonso letzte Zuckungen der New Economy vermutet, wird aus allen Rohren geschossen, bis kein Gras mehr wächst. Eine recht dünne Haut zeigt der Betreiber…