Microsofts Weblog-Service produziert HTML-Salat
9. August 2004 von Wolfgang SommergutMSN startete vor kurzem einen Weblog-Service in Japan. Phil Ringnalda machte sich die Mühe, diesen Blog-Dienst unter technischen Aspekten anzusehen. Das Ergebnis erinnert leider an viele andere Web-Aktivitäten von Microsoft: Zwangsbeglückung der Benutzer mit dem Internet Explorer, Ignoranz gegenüber offenen Standards und Blauäugigkeit gegenüber den Bedrohungen in einem öffentlichen Netzwerk.
Wer sich für MSN Blogs anmeldet, merkt schnell, wer hinter diesem Service steht:
To the surprise of exactly nobody, when I clicked the signup URL in Firefox, I was told to get a better browser. Instead, I switched to Internet Explorer.
Anschließend erfordert der Blog-Editor ebenfalls Windows und den IE in der Version 5.5 oder höher. Wenn der frisch gebackene Blogger erst einmal Texte online gestellt hat, wird deutlich, dass sich Microsofts HTML-Templates wenig um Standards scheren:
Validating Robert’s page, without even a post, produces 166 errors (..) The actual HTML is… painful to look at. Clearly generated, it includes special delights like a table of all-caps tags in the middle of a table of lower-case tags, unquoted attributes that include units, „id“ attributes that start with utterly illegal characters like underscores, a mix of tables with spacer gifs, inline style attributes, and divs and spans with id attributes to apply CSS, along with utterly jarring things like a <LINK REL=“stylesheet“ HREF=“Parts/Css/Parts.css“ type=“text/css“> element appearing in the middle of the body.
Die E-Mail-Adresse von Besuchern, die einen Kommentar hinterlassen wollen, wird unverändert als mailto-Link eingefügt:
your email address will be displayed, in a mailto, without even the courtesy of useless entity encoding. Be sure to either use your favorite a@b.com equivalent, or just skip it.
Bevor man allerdings zum Opfer von Spam-Robotern werden kann, muss man sich bei Microsoft Passport authentifizieren. Da ist es ein schwacher Trost, dass MSN zumindest einen validen RSS-Feed erzeugt.
Microsoft festigt damit seinen Ruf als Firma, die dem Web mit einer Mischung aus Ignoranz und Arroganz begegnet. Die Symphatie der Benutzer ist dort ein wesentliches Erfolgskriterium. Wer hemmungslos seine Dienste bevorzugt und seine Software mit der Brechstange unter die Leute bringen will, schafft sich keine Freunde.
Kategorie: Weblogs und Wikis 11 Kommentare »
Kann mir schon vorstellen, wer das richtig gut findet. :-)
Dass man sich bei MS an den Industrie- und nicht an den Elfenbeinturmstandard hält, ist nichts Neues. Mag sein, dass man sich in OS-Kreisen keine Freunde mit dieser Strategie schafft, jedenfalls ist das scheinbar der richtige Weg, um Kunden zu gewinnen. Denn die Mehrheit will Features und interessiert sich nicht dafür, was eine Hand voll Theoretiker im stillen Kämmerlein vereinbart hat.
@ Michael Pietroforte
Die Mehrheit wäre vermutlich tätsächlich doof genug, teure Lizenzen für eine M$-Blogging-Software zu kaufen mit all den proprietären Standards, die einem Herrn Gates so vorschweben, damit sie auch ganz sicher sein kann, auf höchstem Industriestandard zu bloggen. So wie sie mit Word auf höchstem Industriestandard schreibt, mit Excel auf höchstem Industriestandard rechnet und mit Powerpoint auf höchstem Industriestandard präsentiert. Schade eigentlich, dass HTML kein proprietäres M$ Frontpage Format ist, dann müssten heute alle auf höchstem Industriestandard HTML-Seiten bauen und das Web wäre eine M$-Veranstaltung auf höchstem Industriestandard.
Ich muss zugeben, das war jetzt nicht so schwer. :-)
@Volker: Was war nicht schwer? Sich vorzustellen wer das gut findet? (BTW: Interessanter als „wer“ etwas gut findet, ist, „warum“ jemand etwas gut findet… ;-)
@Wolfgang S.: Microsoft ist offenbar die einzige Firma/Organisation, die sich um die Bedienbarkeit von Anwendungen kümmert. Das ist das eigentlich traurige. Diese ewige Debatte kocht ja auch deswegen ständig ohne Aussicht auf Lösungsansätze vor sich hin, weil es nicht mal einen Konsens darüber gibt, dass das Web bisher ein absolut beschissenes User-Interface ist.
Die Einbindung Client-seitiger Bedienelemente mit IE-5.5-Features erhöht ganz einfach die Gestaltungsmöglichkeiten für das Anwendungsdesign erheblich. Microsoft wäre doch völlig blöd, wenn es aus Sorge um die 5-10 Prozent Nicht-IE-Nutzer auf Features verzichten würde, die der IE bereitstellt.
Der Grundansatz dieser Debatte ist m.E. völlig falsch. Die Fragestellung kann nicht sein: Wer hält sich an Standards, sondern, wer schafft es, das Web als Anwendungsfrontend leichter bedienbar zu machen. Danach kann man ja meinetwegen versuchen, proprietäre Lösungswege zu standardisieren oder auf der Basis von Standards nachzuahmen.
@Wolfgang: Wenn es nur darum ginge, den MSN-Bloggern einen ActiveX-Rich-Text-Editor zur Verfügung zu stellen, dann würde ich dir ja zustimmen (zumindest so lange man den Benutzern anderer Browser die Möglichkeit gibt, ihre HTML-Tags von Hand einzugeben).
Aber was hat es mit besserem User-Interface oder Innovation zu tun, wenn man ungültige Werte für Attribute verwendet, link-Tags in den body einfügt oder Leute dazu zwingt, sich mit dem IE beim Dienst zu registrieren? Es ist auch keine zusätzliche Arbeit, gültiges HTML zu erstellen. Meines Erachtens kommt bei der demonstrativen Missachtung von Standards eine Haltung zum Ausdruck, die ich als „Mischung aus Ignoranz und Arroganz“ charakterisiert habe.
Ich glaube da unterschätzt Du MS, wenn Du Ignoranz und Arroganz als Gründe annimmst. „Gültig“ ist für MS HTML genau dann, wenn es korrekt im IE angezeigt wird. Die absolute Mehrheit der Internet-Anwender sieht das genauso. Man ist jahrelang hervorragend mit dieser Strategie gefahren. Warum sollte man das auf einmal ändern?
Im Übrigen wird niemand gezwungen, den IE, Windows oder MS-Dienste zu nutzen. Die Sympathie der großen Mehrheit der Internet-Nutzer hat MS schon längst. Die wollen nur möglichst einfach und unkompliziert das Internet nutzen. Solange man das bei der Konkurrenz nicht begreift, wird sich an der Sympathieverteilung auch nichts ändern.
Das Pochen einiger weniger auf offene Standards wird in Redmond jedenfalls niemand beeindrucken. Stattdessen wird man einen neuen proprietären Standard für Weblog-Systeme setzen und auf ein weiteres Monopol hinarbeiten.
„Die Sympathie der großen Mehrheit der Internet-Nutzer hat MS schon längst. Die wollen nur möglichst einfach und unkompliziert das Internet nutzen.“
Dem ist wohl nichts hinzu zu fügen, so lange man von reinen Anwendern spricht. Die Weblog-Welt verzerrt das Bild ein wenig. Aber halt, wir reden doch hier von einem Blog-System, kommen denn jetzt nur noch Anwender hinzu? So sehr ich mir ein M$-Blog-System wünsche, unter diesen Bedingungen lehne ich dankend ab. Vielleicht schaue ich mir eine etwaige Software an und spiele damit rum, vielleicht kann man die in der Zukunft für die Firma einsetzen, aber nicht mit reinem Gewissen.
„Das Pochen einiger weniger auf offene Standards wird in Redmond jedenfalls niemand beeindrucken. Stattdessen wird man einen neuen proprietären Standard für Weblog-Systeme setzen und auf ein weiteres Monopol hinarbeiten.“
Das ist schade, denn eine Annäherung an den „Feind“ auf dieser Ebene wäre sicherlich etwas, dass M$ mal ganz gut tun würde. Warum nicht mal eine Strategie fahren, bei der der Anwender von den Vorzügen der unterschiedlichen Systeme profitiert? Man ärgert sich ja doch, wenn man ständig zu irgendetwas gezwungen wird.
Michael, wenn du so weiter machst, dann wird sich Microsoft noch öffentlich von dir distanzieren. Die von dir vertretenen Positionen fänden sie wahrscheinlich Image schädigend :-)
Der Microsoft-Star-Blogger Scoble hat übrigens aus der Kritik von Phil Ringnalda etwas andere Schlüsse gezogen als du (http://radio.weblogs.com/0001011/2004/08/08.html ):
„Honestly, would you use this blogging system after reading Phil’s report? I wouldn’t.“
Was wiederum zeigt: Ignoranz und Arroganz (als zutiefst menschliche Verhaltensweisen) könnten durchaus eine Rolle gespielt haben – allerdings eher auf persönlicher Ebene, und weniger als Basis einer globalen Firmenstrategie.
Ich denke schon, dass es sich hier um eine globale Strategie handelt. So etwas überlässt man bei MS nicht dem Zufall. Wie kein anderes Unternehmen legt MS Wert auf Interoperabilität. Nur betrifft das immer nur die eigenen Produkte. Ignoranz scheidet als Grund damit aus.
Gleichzeitig ist man aber bei MS immer auch bemüht, eigene Standards zu setzen. Hat man mal eine gewisse Marktdurchdringung erreicht, wird stets bewusst versucht, andere Standards zu ignorieren, um die Position des eigenen Standards zu stärken. Das machen auch andere Unternehmen, aber keines ist darin so erfolgreich wie MS. Das ist alles allgemein bekannt und im Grunde ein alter Hut. Insofern muss sich MS da auch nicht von mir distanzieren.
Ebenfalls typisch sind Beschwichtigungsversuche wie von unserem „Starblogger“ Scobleizer. Das ist eigentlich auch nichts Neues. Von so etwas sollte man sich nicht blenden lassen. Wie jedes andere wirtschaftlich orientierte Unternehmen wird sich MS auch in Zukunft nur an Standards halten, wenn es sich einen konkreten Vorteil davon verspricht. Mit Arroganz hat das also auch nichts zu tun.
Das machen Unternehmen aus der Open-Source-Szene ganz genauso. Wieso wollte sich wohl Red Hat nicht auf Open Linux einlassen? Ganz einfach, weil es schon einen Linux-Standard gab, und der hieß Red Hat Linux. Das ist in meinen Augen durchaus legitim.
Ich fühle mich übrigens nicht für die Image-Pflege von MS verantwortlich. Ich sehe das alles nur etwas differenzierter, zugegebenermaßen aber aus einem marktwirtschaftlichen Blickwinkel. Manchmal wünschte ich mir, das wäre auch hierzulande häufiger der Fall. Vielleicht hätten wir dann ein paar Arbeitslose weniger. Ein M€ könnten wir hier schon gut gebrauchen…
PING:
TITLE: Ignoranz und Co.
BLOG NAME: Sozialinformatik
„Zwangsbeglückung der Benutzer mit dem Internet Explorer, Ignoranz gegenüber offenen Standards und Blauäugigkeit gegenüber den Bedrohungen in einem öffentlichen Netzwerk.“ CyDome kritisiert die Weblog-Aktivitäten von MS und stützt sich dabei auf Phil…