OpenOffice als Datenkiller
14. November 2008 von Wolfgang SommergutAls ich Mitte der 90er-Jahre im Praxis-Ressort der PC-Welt arbeitete, mussten wir jeden Monat die Rubrik „Bug Report“ füllen. Da sollten Fehler beschrieben werden, die unsere Leser oder wir selbst in populären Softwarepaketen gefunden hatten. Die Aufgabe war manchmal mühsam, weil es das Web als brauchbares Recherchemedium noch nicht gab und kurz vor Redaktionsschluss ein spektakulärer Fehler gefunden werden musste. Wenn es eng wurde, startete der für den Bug Report zuständige Kollege in seiner Verzweiflung StarOffice – und wurde selten enttäuscht. Nach einigem Herumexperimentieren lieferte das Office-Paket den benötigten Bug.
Die Presseabteilung der damals noch unabhängigen Star Division GmbH beklagte sich irgendwann darüber, dass das Unternehmen durch die regelmäßige Präsenz im Bug Report unfair behandelt würde. Das lag aber einfach daran, dass StarOffice eine unversiegbare Quelle für die kuriosesten Fehler war. Persönlich habe ich StarOffice nur unter OS/2 genutzt, weil es dort kaum alternative Office-Programme gab. Auch nach der Übernahme von StarOffice durch Sun und dem Erscheinen der Open-Source-Version OpenOffice habe ich die Software nur hin und wieder angeschaut, um ihren Entwicklungsstand zu verfolgen.
Als ich kürzlich ein neues Notebook einrichtete, hielt ich die Zeit für gekommen, auf MS Office zu verzichten und stattdessen OpenOffice zu wählen. Für meine relativ überschaubaren Anforderungen an ein Office-Paket sollte die freie Alternative ausreichen. Zudem war ich zuversichtlich, dass das mit zahlreichen Preisen dekorierte Projekt mittlerweile eine stabile Alternative zur Monopol-Software aus Redmond anbieten könne.
Der praktische Einsatz von OpenOffice 2.4.1. belehrte mich allerdings eines Besseren und ließ alte Erinnerungen an den Bug Report der PC-Welt wach werden. Nachdem ich einen relativ einfach formatierten, nicht allzu langen Beitrag als RTF-Datei abgespeichert hatte, erlebte ich beim Öffnen des Textes am darauf folgenden Tag eine böse Überraschung. Anstatt den Inhalt der Datei anzuzeigen, präsentierte mir OpenOffice eine lapidare Fehlermeldung über einen angeblichen Formatfehler.
Nachdem es sich bei RTF um ein Klartextformat handelt, müsste eine fehlertolerante Implementierung des Importfilters zumindest die unformatierten Benutzerdaten anzeigen können. Nachdem die Textverarbeitung das Problem in der letzten Zeile und letzten Spalte des Textes ortete, war mir klar, dass ich von OpenOffice keine Hilfe beim Reparieren des Dokuments erwarten konnte. Über mühseliges Experimentieren konnte ich den defekten Abschnitt aufspüren, nachdem sich die Demoversionen mehrere Reparatur-Tools auf das Anzeigen meines Text beschränkten und das Wiederherstellen verweigerten.
Gerade bei Software, für die man nichts bezahlen muss, nimmt man die eine oder andere Macke in Kauf. Wenn ein Programm jedoch meine Daten verliert, dann überschreitet es eine kritische Grenze. Eine Textverarbeitung, die nicht richtig speichern kann, zerstört jedes Vertrauen und hat bei mir keinen Auftritt mehr.
Kategorie: Open Source 5 Kommentare »
Gib dem Symphony mal ne Chance.
Ich habe OpenOffice auch ausprobiert, aber durch einen anderen Fehler Daten verloren. Zum Glück hatte ich ein Backup. Sogleich rapportierte ich den Fehler, um festzustellen, dass er seit vier Jahren schon bekannt ist. Naja, ich hatte Arbeit zu erledigen, und arbeite nun ohne Probleme mit einem kommerziellen Produkt.
@Wolfgang: Bug-Report – da werden spassige Erinnerungen wach. Wäre das nicht mal wieder eine lohnenswerte Rubrik? :-))
Unter OS/2 hab ich mich alternativ auch mit der Lotus Smart Suite herumgeschlagen. Es war die Wahl zwischen Pest und Cholera – was waren wir damals leidensfähig. Es mag ja an diesen Erinnerungen liegen, dass ich bei Open Office ständig diese „Erblasten“ rieche. Das Paket ist nicht grundsätzlich schlecht, aber es fühlt sich irgendwie sperrig an – und dann kommen die lästigen Bugs dazu.
Im Rückblick aber schon interessant: Einerseits wird Office-Software seit über zehn Jahren für trivial und nicht mehr innovationsfähig gehalten, andererseits patzen die Alternativen immer noch bei den Basics.
@Volker: Was soll an Symphony grundsätzlich besser sein? Das basiert doch auf auf Open Office.
@Wolfgang S.
Danke für die Warnung, OO 2.4 läuft in unserer Familie auf allen Win-Dosen, während ich auf meinen Macs natürlich mit Neo Office arbeite. Alles schon seit anno Schnuff (seit Staroffice 5, genauer gesagt).
Bisher hatten wir noch überhaupt keine Datenverluste, allerdings nutzt hier auch niemand RTF, sondern… DOC.
Meine Erfahrung: Man kann sehr gut auf MS Office verzichten, aber nicht auf die Datenformate von MS. Insgesamt stelle ich den Opensource-Konkurrenten von Word und Excel (bei Powerpoint kann ich nicht mitreden) ein gutes Urteil aus. Im Bedienkomfort sind sie dem Vorbild überlegen.
Kann ich nicht nachvollziehen. Beinahe alle meine Kunden verwenden das OpenOffice.org und haben keinerlei solche Fehler zu beklagen.
Gute Entscheidung im Übrigen, die PC-Welt zu verlassen ;-) Die Computerwoche kenne ich nicht, macht aber einen deutlich seriöseren Eindruck als die ComputerBILD-Alternative PC Welt. *scnr*
Ich kann im Übrigen jedem Leser hier nur raten, das OpenOffice.org wenigstens mal ein paar Wochen zu testen. Die Ersparnis ist enorm (locker 200,- € pro Arbeitsplatz) und gerade das Textverarbeitungsmodul Writer arbeitet deutlich stabiler als das ziemlich absturzfreudige Word. Nein, Word stürzt bei 1-seitigen Briefen im Allgemeinen auch nicht ab, ich rede hier von etwas komplexeren Dokumenten…