Service kostenlos – Qualität egal?

30. Dezember 2005 von Wolfgang Sommergut

Bei del.icio.us folgt zurzeit Panne auf Panne. In einem Blog-Posting erklärt Joshua Schachter die neuesten Aussetzer mit einem wiederholten Stromausfall. In den zahlreichen Kommentaren entwickelt sich neben viel Unsinn auch eine Diskussion darüber, welche Verpflichtungen ein kostenloser Service gegenüber seinen Benutzern habe.

Wer sich auf einen Dienst wie del.icio.us oder Bloglines ernsthaft einlässt, der empfindet Ausfälle und Pannen als lästige Einschränkungen seiner gewohnten Online-Aktivitäten. Und wenn er sich über Mängel beschwert, findet sich schnell jemand, der ihn daran erinnert, dass der Service ja kostenlos sei und man sich daher nicht aufzuregen brauche. So auch in der Debatte im del.icio.us-Blog. Die Gegenposition scheint mir aber plausibler: Der Wert vieler Web-2.0-Sites besteht nicht in ihrer Software oder der ohnehin oft wackligen Infrastruktur, sondern in der Nutzer-Community und deren produktiver Tätigkeit. Und dieser schuldet der Site-Betreiber eine akzeptable Qualität seines Dienstes. Ask Jeeves und Yahoo haben nicht Millionen für Bloglines beziehungsweise del.icio.us bezahlt, weil ihre IT-Besitztümer so wertvoll sind. Ähnliches gilt übrigens auch für Bloghoster, deren Wert nicht primär in ihrer Technik liegt (siehe dazu „Die Open-Source-Logik von Knallgrau“).

Insgesamt stellt sich für mich die Frage, was es im Zeitalter werbefinanzierter Inhalte / Software / Services heißt, für eine Leistung zu bezahlen. Wenn ich als Nutzer von GMail auf eine Anzeige in meiner Mailbox klicke, dann verdient Google damit Geld. Ich bezahle also damit den Mail-Service? Wenn mir die auf Leads versessenen Verlage eine Benutzerregistrierung für den Zugriff auf Online-Texte abverlangen, dann sind meine persönlichen Daten für sie doch bares Geld wert? Und das Gleiche gilt natürlich wieder für Bloghoster, deren Traffic und damit die Werbeeinnahmen vom Fleiß der Autoren abhängt. Mit der aktiven Teilnahme der Nutzer im Read/Write-Web verlieren diese ihren passiven Konsumentenstatus. Eine Argumentation nach dem Muster „ich biete dir einen kostenlosen Service und dafür brauchst du keine Ansprüche stellen“ ist da fehl am Platz.

Kategorie: Medien und Web-Dienste 4 Kommentare »

4 Antworten zu “Service kostenlos – Qualität egal?”

  1. Frank Hamm sagt:

    Auch ich benutze jede Menge „kostenloser“ Dienste wie delicious. Kostenlos im Sinne, dass ich direkt keinen einzigen Cent für die Benutzung bezahle. delicious ist sogar ziemlich kostenlos, wenn man andere Wertflüsse (z.B. Werbefinanzierung, community) betrachtet. Abgesehen davon ist mir bei vielen solcher Dienste das Geschäftsmodell nicht klar (bei delicious auch nach dem kauf durch Yahoo nicht).
    Jedenfalls nehme ich kleinere, gelegentliche Huster wie bislang den Stromausfall bei delicious in Kauf, solange ich nicht direkt finanziell dafür bezahle. Wenn aber die Häufigkeit und Intensität von Ausfällen oder die Qualität ein gewisses (subjektives) Maß überschreitet, dann greife ich zum Gesetz des Marktes von Angebot und Nachfrage: Ich suche mir einen anderen Dienst – es gibt (noch) jede Menge davon. Der Unterschied zwischen „kostenlosen“ und zahlungspflichtigen Diensten besteht für mich in der Höhe der Schmerzgrenze, ab der ich zum Gesetz des Marktes greife – für mich gibt es da also gar keine so großen Unterschiede.
    Der Markt (wir, die Anwender) regeln, ob ein Dienst und welcher Dienst akzeptiert wird. Wenn der Husten von delicious zur Erkältung wird, dann wir es seine Auswirkungen haben. Das müssen die Anbieter solcher Dienste respektieren – gleich, ob sie Geld bekommen oder nicht.
    P.S. delicious wurde von MT nur ohne Punkte akzeptiert

  2. Cem Basman sagt:

    Wolfgang, Du sprichst hier eine fundamentale Fragestellung und ich kann Deine Argumentation nur unterstreichen.
    Sogutwie keines der neuen webbasierten Plattformen bietet z.Z. die Robustheit und Ausfallsicherheit an (Siehe auch http://java.blogg.de/eintrag.php?id=217 ), die man von einem professionellem Dienstleister fordert. Zugegeben, RZ-Professionalität ist aufwendig.
    Woran liegt das? Praktisch keiner der Anbieter kommt aus einem professionellem (und grossen) IT Umfeld. Fast alle kommem aus der „PC-Ecke“. Das Bewusstsein für die meisten Probleme des IT Betriebs von vielen tausenden zeitgleichen Nutzern ist nicht vorhanden. Viele kommen aus dem Marketing ud sind eher Oberflächen orientiert (i.S. GUI!) Und was ich gerade wieder in den letzen Tagen ärgerlich finde – die Bereitschaft zu lernen ist nicht überall ausgeprägt. Das ist schlecht für eine Service-Landschaft.
    Es geht um „Services“ und nicht um „Software“ oder „Technologie“ … alles andere sind Gadgets. Wir brauchen einen Culture Change bei den neuen webbasierten Diensten zu mehr Kundenorientierung und mehr Service. Die Zeiten der IT Arroganz sind längst vorbei!

  3. @Cem: Du nennst sicher die wesentlichen Gründe, warum viele der neuen Web-2.0-Dienste auf wackligen Beinen stehen. Die saloppe Einstellung gegenüber den Nutzern hängt aber damit zusammen, dass man glaubt, ihnen ja nichts zu schulden – sie bezahlen ja nichts. Das wollte ich widerlegen.
    @Frank: Klar, der Markt regelt vieles. Aber häufig sind damit gewisse Schmerzen verbunden. Nach den delicious-Ausfällen habe ich mich bei Furl angemeldet. Aber bis man sich dort zurechtfindet und alle Features nutzen kann, an die man sich gewohnt hat, muss man einige Zeit investieren. Beim Wechsel eines Bloghosters etwa wäre der Aufwand noch viel größer.

  4. Frank Hamm sagt:

    @Wolfgang: Stimmt. So ein Umstieg ist ganz schön aufwendig. Auch wenn ein Datenex-/import geht brauch es Zeit, bis man sich im neuen Dienst „eingerichtet“ hat. Momentan probiere ich einfach mal Blinklist anstelle von delicious aus. Aber es ist halt eben nicht mal so „einfach“ ausprobiert…