Sollen Betreiber von Websites einfache Aufgaben outsourcen?
16. März 2004 von Wolfgang SommergutDer Erfolg von Tiny URL wirft die Frage auf, ob das Auslagern von einfachen Aufgaben nicht mehr Nachteile als Vorteile mit sich bringt. Dies gilt besonders dann, wenn diese simplen Dienste in Kernbereiche des eigenen Online-Auftritts eingreifen. Hier ein paar Beispiele:
- Das eben genannte Tiny URL erzeugt Kurzformen für lange URLs. Für http://www.xyz.com/EineBesondersLangeURL?Und_hier_noch_ein_Rattenschwanz bietet Tiny URL beispielsweise http://www.tinyurl.com/123 als Kurzform an. Der Dienst besteht im Prinzip in einem Mapping von URIs und einer Weiterleitungsfunktion. Interessant scheint ein solcher Service für Verlage, die Print-Publikationen herausbringen. Es verschont die Leser von Zeitschriften vor mehrzeiligen URLs. Aber das alleine kann die Erklärung für den Erfolg von Tiny URL nicht sein: Laut Wired leitet die Site pro Monat 80 Millionen Anfragen um, täglich werden über 8000 neue Kurzformen erzeugt.
- Anstatt seine Log-Files selbst auszuwerten, kann man Programme eines externen Service in seine Site einbinden. Ein Beispiel dafür ist Extreme Tracking. Man gewährt dem Dienstleister den Zugriff auf die Logdateien des Web-Servers und erhält im Gegenzug eine statistische Auswertung.
- Will man seinen Lesern oder Kunden einen Newsletter anbieten, kann man dafür etwa Server.com mit der nötigen Verwaltungsarbeit und der Auslieferung betrauen.
Gegen die genannten Beispieldienste fallen mir spontan mehrere Einwände ein. In den Fällen 1 und 3 entsteht ein größeres Problem, wenn der Service eingestellt wird. Kurz-URLs von Tiny URL sorgen dann für eine Vielzahl von toten Links, die möglicherweise nicht mehr repariert werden können – es sei denn, man hat sich alle Zuordnungen von langen zu kurzen URLs gemerkt. Ähnlich liegt der Fall bei Newsletter-Diensten, weil sie in den meisten Fällen im Besitz der Abonnentenliste sind. Beim Tracking-Service begibt man sich zwar nicht in eine derartige Abhängigkeit, gewährt einem Externen aber den Einblick in das Allerheiligste einer Website – und das für Leistungen, die man mit freier Software wie Analog oder AWStats ohne allzu großen Aufwand selbst erbringen kann. Im übrigen bekommt man auch bei der Webstatistik Antworten nur auf die Fragen, die man selbst stellen kann.
Diese Diskussion lässt sich auf viele andere Beispiele ausdehnen. Im Fall von Weblogs etwa erhebt sich die Frage, ob die mit einer gehosteten Installation verbundene Bequemlichkeit durch geringere Flexibilität bei Layout und Fetures nicht mehr als wett gemacht wird.
Kategorie: Firmenstrategien 2 Kommentare »
Ich würde das gar nicht mal so negativ sehen: Bein TinyURL geht es darum, dass es wohl weniger von Print-Mags als von Bloggern und Foren-Usern genutzt wird. Wenn man nun eine abartig lange URL posten möchte würde diese oft das Layout zerschiessen, und da ist TinyURL dann eine gute Hilfe.
Meistens handelt es sich um einen Newsbeitrag, der eh nicht permanent unter dieser langen URL zu finden sein wird, deswegen ist es dann eigentlich auch egal ob TinyURL in ein paar Jahren noch lebt oder nicht. Weiterhin haben die TinyURLs oft sogar höhere PageRanks als die Ziel-URLs auf die sie verlinken.
Im Falle von Traffic-Countern ist es falsch, dass man diesen Zugriff auf die Logfiles gewähren muss. Meist reicht es, eine Grafik oder ein Skript vom Server des Anbieters auf den eigenen Seiten einzubinden.
Es ist leider gängige Praxis im Web, dass Seiten nach einiger Zeit verschwinden. Dazu passt natürlich auch die Verwendung von Wegwerf-URLs. Bei wissenschaftlichen Arbeiten hat dies zur Folge, dass häufig Web-Seiten ausgedruckt und im Anhang beigeheftet werden, weil die Verfasser nicht darauf vertrauen können, dass die betreffenden Dokumente später noch online stehen. Im Vergleich zu allem, was unter einer ISBN oder ISSN im Print publiziert wird, haben Informationen im Web relativ wenig Bestand – in vielen Fällen ist das ein Problem.
Bei TinyURL missfällt mir noch eine andere Sache: Ähnlich wie diverse Versuche zur Einführung von „Real Names“ höhlen sie die öffentliche Infrastruktur des DNS aus. Sie schalten ihm einen eigenen (proprietären) Namensraum zur Beschreibung von Internet-Ressourcen vor.
Mag sein, dass ich damit einen puristischen Standpunkt vertrete und das Web sich in der Praxis nicht nach solchen idealen Regeln entwickelt, sondern eher wie ein Ökosystem. Interessant fand ich den Hinweis, dass Seiten über Tiny URLS einen höheren PageRank erzielen können als unter ihrer DNS-abgeleiteten Adresse – offenbar deshalb, weil die Domäne des proprietären Verzeichnisdienstes bei Google gut abschneidet.