Überlegungen zu MSN Search

9. Juli 2004 von Wolfgang Sommergut

Microsoft ist es wieder einmal gelungen, durch bloße Ankündigungen und Absichtserklärungen enorme Aufmerksamkeit zu erregen. Das Muster ist bekannt: Der Riese aus Redmond steht zwar mit leeren Händen da, reklamiert aber Ansprüche auf neue Märkte. Die Medien und so genannten Marktbeobachter halten Microsoft für omnipotent und gehen davon aus, dass sich die Firma wieder das größte Stück vom Kuchen abschneiden kann. So verläuft die Geschichte auch wieder mit MSN Search, das angeblich schon darauf und dran ist, Google ernsthafte Konkurrenz zu machen. Dabei scheint bei Microsofts Suchmaschinengeschäft durchaus Skepsis angebracht:

  • Microsoft ist keine erfolgreiche Web-Company. Als Bill Gates 1995 symbolträchtig zum Jahrestag von Pearl Harbor auszog, um das Internet zu erobern, glaubten viele „pundits“ an einen Siegeszug von Microsoft. Angesichts der enormen finanziellen und technischen Mittel fielen die Ergebnisse aber ziemlich bescheiden aus. MSN schrieb nach Jahren der Quersubventionierung im letzten Jahr zum ersten Mal schwarze Zahlen, Expedia wurde verkauft, das große Vorhaben für globale Dienste wie .NET MyServices und Passport endete als Fehlschlag. Die namhaftesten Firmen im Web sind heute Amazon, ebay, Yahoo, Google – aber nicht Microsoft.
  • Häufig wird stillschweigend davon ausgegangen, dass Microsoft nur genug Geld ausgeben müsse, dann könne es technologisch schnell mit Google gleichziehen. Google wird andererseits immer häufiger für die angeblich nachlassende Qualität seiner Suchergebnisse kritisiert – und das trotz ständiger Optimierung der Algorithmen und mehrjähriger Erfahrungen als Marktführer. Wenn Googles Qualität tatsächlich nachlassen sollte, dann liegt das wohl am Web selbst, das immer komplizierter und umfangreicher wird und wo immer mehr Suchmaschinenoptimierer am Werk sind. Keine günstigen Voraussetzungen für einen Einsteiger also. Die Resultate der momentan verfügbaren Suchmaschine von MSN sind eher ernüchternd.
  • Google als Marktführer leidet zwar besonders unter Suchmaschinen-Spam und läuft daher größere Gefahr, minderwertige Suchergebnisse zu liefern. Andererseits ist es einer der größten Vorteile von Google, dass so viele Seiten für diese Suchmaschine optimiert wurden. MSN wird wie Yahoo gezwungen sein, die Algorithmen für das Ranking jenen von Google nachzubauen. Wer es nämlich mit seiner Site bei Google auf eine gute Position gebracht hat, wird an den Ergebnissen der anderen Suchmaschinen zweifeln, wenn er dort schlechter abschneidet – keine gute Voraussetzung, um Werbekunde zu werden.
  • Google ist kein Leichtgewicht, das Microsoft mit seiner üppig gefüllten Kriegskasse einfach aus dem Markt drängen kann. Wie immer der Börsengang verlaufen wird, er wird Google genug Kapital bescheren, um in diesem Markt für längere Zeit bestehen zu können.
  • Nach allgemeiner Meinung hat Microsoft mit dem Desktop-Monopol einen Trumpf in der Hand, der wie gegen Netscape auch gegen Google stechen wird. Dagegen sprechen gleich mehrere Gründe. Der Desktop hat in den letzten Jahren an Bedeutung eingebüßt, dort befinden sich nur mehr wenige relevante Informationen, nach denen man suchen müsste. Wie oft durchstöbert man als Windows-Anwender die lokale Festplatte und wie oft greift man zu Google, um das Web zu durchforsten (wobei Letzteres meist schneller geht)? Bei einer Verknüpfung der beiden Medien über eine Suche liegt es also eher nahe, die Desktop-Suche an die Web-Recherche anzuhängen statt umgekehrt. Im Übrigen hat Microsoft den Internet Explorer mit der MSN-Suche schon lange verknüpft und damit relativ wenig Erfolg gehabt. Eine engere Verflechtung wird erst für das Longhorn-Release von Windows erwartet, das wahrscheinlich 2007 auf den Markt kommen wird. Bis dieses eine größere Verbreitung findet, vergehen noch weitere zwei bis drei Jahre. Microsoft könnte seinen Desktop-Trumpf demnach erst 2010 richtig ausspielen – so viel Zeit hat Bill Gates wohl nicht mehr.
  • Schließlich kommt noch der Aspekt des Vertrauens hinzu. Einer Firma, die in so vielen Märkten tätig ist, nimmt man nur schwer ab, dass sie bei der Sortierung von Suchergebnissen neutral bleibt. Selbst wenn die Suche nach CRM das Microsoft-Produkt zu Recht an erster Stelle listet, werden die meisten Nutzer mit Misstrauen reagieren. Der immer wieder ausgerufene Boykott durch Website-Betreiber wird nicht stattfinden, weil die meisten nicht auf den von MSN kommenden Traffic verzichten wollen. Dafür werden aus dem Dunstkreis der Microsoft-Gegner immer wieder Verschwörungstheorien die Runde machen, die der Glaubwürdigkeit von MSN schaden.

Kategorie: Firmenstrategien, Suchmaschinen 5 Kommentare »

5 Antworten zu “Überlegungen zu MSN Search”

  1. Thomas sagt:

    Da hast Du wohl Recht. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass MSN Search plötzlich die dominierende Suchmaschine werden soll.
    Google entwickelt ja auch jede Menge Strategien, um über die reine Web-Suche hinaus attraktiv zu bleiben. news.google.com, Froogle, Gmail…
    Und ein Desktop-Suchwerkzeug („Puffin“) soll ja auch in Kürze kommen – sicher deutlch früher als Longhorn -> http://www.computerwoche.de/index.cfm?pageid=254&artid=61164
    Bis Longhorn draußen ist, ist effektive Desktop-Suche – egal, ob der Desktop an Bedeutung verliert oder nicht – wahrscheinlich eh nichts Besonderes mehr. Siehe etwa Apples Pläne für Mac OS X -> http://www.apple.com/macosx/tiger/spotlight.html

  2. @Wolfgang: Ich glaube, dass Du Microsoft in manchen Punkten unterschätzt.
    -z.B. Web-Company: MS hat auf seinen Sites (ms.com, msn.com, Hotmail, windowsupdate.ms.com …) insgesamt einen immensen Traffic und soll hier unter den Top-Ten sein. Das sagt nichts über einen geschäftlichen Erfolg aus, ist aber für diese Firma und ihre zukünftigen Internet-Pläne nicht unerheblich.
    Die Erfahrungen aus Hotmail z.B. sind u.A. in die neuen Anti-Spam-Techniken eingeflossen. Auch ein gigantischer Markt.
    -Der Desktop hat wg. des Internet keinesfalls an Bedeutung verloren, sondern ist weiterhin ein zentrales Tool für die User (siehe „neuer Trend“ zu Rich-Clients…). Interessant ist ja, dass sich alles um Eine Ebene nach oben verlagert hat. Für viele MS-Kunden ist nicht mehr Windows als Plattform wichtig, sondern Dienste/Programme darauf. Viele Firmen entscheiden sich etwa bei CRM für Tools, die sich in Outlook einklinken (natürlich inkl. MS-CRM), „weil das die Anwender eh schon kennen“. Das sieht man auch bei den Produkten, die viele ISVs so anbieten. Das lange Zeit unbenutzbare, aber auch völlig verkannte Outlook ist mittlerweile zu einer tragenden Säule für MS geworden. Und tatsächlich kann gegen solche Tools kein Web-Messging-Dienst in Sachen Funktionalität anstinken.
    Ausserdem sammeln User, die 200 GB Platz auf der Festplatte haben, natürlich unendlich viele Daten auf dem Client. Google wird sich deshalb gerade hier sehr anstrengen müssen, denn Web- und Client-Suche auf einer leicht bedienbaren Oberfläche unter einen Hut zu bringen halte ich für eine sehr schwierige Aufgabe.
    Bei allem Respekt vor Google sollte man sich hier nichts vormachen: Microsoft ist auf jeden Fall im Rennen. Das spannendste dabei ist, dass das Ziel noch gar nicht ganz klar ist – weder für MS, Google noch andere.

  3. Ingo sagt:

    @ Wolfgang M. Man unterschätzt Microsoft nur in ihrer kriminellen Energie. Siehe http://www.heise.de/newsticker/meldung/48986. Wie passend zu dem Thema Suchmaschinen und Microsoft.

  4. Uwe Splett sagt:

    Liebe Leute,
    auf der Suche nach „Puffin“ bin ich auf dieser Seite gelandet. Sollte hier einer echtes Wissen über eine Desktop-Suchmaschine haben, wäre mir sehr geholfen. Ich habe schon seit vielen Jahren eine kostenlose Indexsuche von AltaVista. Dieses sehr gute Programm läuft leider nicht unter XP, ich muß also immer in eine ander Partition gehen (Me oder Win98) wenn ich was suche. Kennt jemand ein gutes möglichst billiges Programm mit Index zum Suchen?? Der Test in einer der letzten c’t war nicht so umwerfend.
    Grüße
    Uwe

  5. Uwe Splett sagt:

    Hallo,
    Betrifft Suchmaschinen
    unter http://www.x-friend.de/de/start/einfuhrung/ gibt es eine phantastische Suchnmaschine.
    Grüße
    Uwe