Wiki-Vandalismus für Forschungszwecke
3. September 2004 von Wolfgang SommergutAlex Halavis manipulierte vor einiger Zeit die Wikipedia durch 13 willkürliche Änderungen und schrieb darüber in seinem Blog. Er betrachtete diesen vandalistischen Akt als Experiment, mit dem er einen inkompetenten Beitrag in einer amerikanischen Provinzzeitung über die abgebliche Unzuverlässigkeit der Wikipedia widerlegen wollte.
Jetzt wundert sich Prof. Halavis über die zahlreichen Flames gegen seine Aktion. Sie wäre bestimmt nicht nötig gewesen. Ein Forscherteam der IBM hatte schon vor einiger Zeit die Selbstheilungskräfte von Wikis bei Vandalismus gründlich untersucht – und zwar ohne sich dabei destruktiv zu verhalten. Der Sozialwissenschaftler Halavis dürfte bei dieser Gelegenheit etwas über die Nachteile der teilnehmenden Beobachtung gelernt haben.
Kategorie: Medien und Web-Dienste, Weblogs und Wikis 2 Kommentare »
Man kann diese immer wieder einmal durchs Internet – speziell durch die Blogosphäre – rauschende Diskussion unter verschiedenen Gesichtspunkten sehen. Einfach zu sagen „Damit ist bewiesen, dass Wikis sich problemlos selbst heilen; alles wird gut!“ ist aber vielleicht ein bisschen kurz gesprungen. Ich war selbst kurz auf dem Trip (siehe http://notizen.typepad.com/aus_der_provinz/2004/08/und_wikipedia_f.html), aber Horst Prillingers Argumente (http://homepage.univie.ac.at/horst.prillinger/blog/archives/2004/08/000749.html) gegen diese vereinfachende Sichtweise haben mir schon zu denken gegeben. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Diskussion bei Joi Ito (http://joi.ito.com/archives/2004/08/29/wikipedia_attacked_by_ignorant_reporter.html#c014685).
Vereinfacht kann man die zusammenfassen mit den Worten „Klar, heilt sich die Wikipedia selbst. Aber wer sagt mir, dass jetzt, in dem Moment, wo ich etwas nachsehe, die angezeigten Fakten korrekt sind? (Das eventuelle Fehler morgen vielleicht geheilt sind, hilft mir heute wenig weiter)“
Ich bin immer noch ein Riesenfan der Wikipedia und empfehle sie gerne weiter. Aber ich denke tatsächlich, dass man sie auch „mit einer Prise Salz“ nehmen muss und es zur Medienkompetenz dazu gehört, den Unterschied zwischen einer redaktionell von Fachleuten erarbeiteten Enzyklopädie und einen Projekt wie der Wikipedia zu kennen, zu verstehen und die erhaltenen Informationen entsprechend zu bewerten.
Rein emotional stimme ich allerdings Tim Bray zu:
Maybe the Wikipedia is a short-lived fad, maybe it’ll get better, maybe it’ll get worse, but I was surprised that nobody pointed this out: The Wikipedia is beautiful. It’s an unexpected and unexplainable triumph of collective creativity and of order over entropy. I hope it lasts a long time, and those who criticize it Just Don’t Get It.
http://www.tbray.org/ongoing/When/200x/2004/08/31/Wikipedia
Ich stimme völlig damit überein, dass Online-Texte im allgemeinen und Wikis im besonderen als verlässiche (und zitierfähige) Quellen für wissenschaftliche Arbeiten nur eingeschränkt taugen (siehe http://www.cydome.de/wsommergut/archives/000390.shtml#c000262).
Die Selbstheilungskräfte der Wikipedia gewährleisten m.E. aber eine ausreichend schnelle Genesung von vandalistischen Akten, um sie etwa in den meisten Online-Texten als eine Art Inline-Glossar nutzen zu können. Wenn dann der eine oder andere Leser den betreffenden Eintrag in einem unordentlichen Zustand vorfindet, ist das bestimmt keine Katastrophe.
Die schnelle Reaktion der Wikipedia-Autoren auf Verunstaltungen ihrer Texte verdankt sich technisch gesehen übrigens der Tatsache, dass ChangeLogs als RSS-Feed abonniert werden. Auf diese Weise fallen unerwünschte Änderungen binnen kurzer Zeit auf.
PING:
TITLE: Vertraue keinem Wikipedia-Beitrag
BLOG NAME: Klaus Eck
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