Windows Live: ankündigen, versprechen, warten

12. September 2007 von Wolfgang Sommergut

Vor fast zwei Jahren stellte Microsoft sein live-Projekt vor, das die Web-Strategie des Konzerns über die nächsten Jahre bestimmen sollte. Es folgten Ankündigungen und Betaversionen von wenig originellen Services, ein Rebranding von MSN und Hotmail sowie die verwirrende Kombination von Windows und Office mit live (in Windows Live befindet sich kein Windows und in Office Live kein Office). Heute hatte ich Brian Hall, General Manager von Windows Live, zu Besuch in der Redaktion. Ich hoffte darauf, dass ich nach dem Gespräch ein klareres Bild von Microsofts Web-Ambitionen haben würde.

Abgesehen von MSN Messenger und Hotmail, die nun unter der live-Marke firmieren, ist Microsoft bei allen anderen Services in der Situation, dass es mit erheblicher Verspätung Dienste anbietet, bei denen sich bereits einige Konkurrenten gut etabliert haben. Das gilt etwa bei Foto-Sharing, wo Live Photo Gallery gegen Flickr antritt, oder Live Spaces, das mit einer Reihe populärerer Blog-Hoster (wie Googles blogger.com) um Autoren konkurriert. Bei der Suche und Online-Werbung kämpft Microsoft bis dato mit wenig Erfolg gegen Google an.

Brian Hall versprühte im Vertrauen auf die enormen finanziellen Mittel von Microsoft den typisch amerikanischen Optimismus und verwies auf andere Geschäftsbereiche, wo die Firma dank ihres langen Atems die davongeeilte Konkurrenz noch einholte. Im Web 2.0 herrschen indes andere Bedingungen als im angestammten Business von Betriebssystemen und PC-Anwendungen. Hall ist davon überzeugt, dass sich letztlich die besten Services durchsetzen würden und Microsoft die Voraussetzungen habe, diese zu entwickeln. Das wichtigste Feature cooler Anwendungen im sozialen Web sind indes Benutzer, und daran mangelt es den meisten neuen live-Diensten. Um sich gegen Facebook, MySpace, Flickr (Yahoo!) oder Youtube durchzusetzen, reichen Geld, gute Technik und hübsche Oberflächen nicht. Die Leute müssen einen Web-Dienst mögen.

Um Microsofts Reputation ist es im Web nicht besonders gut bestellt. Vor allem fehlt es der Firma an Meinungsführern, die live-Dienste toll finden und weiterempfehlen. Malcolm Gladwells „Rule of the few“, wonach es so genannter Connectors oder Mavens bedarf, um virales Marketing in Gang zu setzen, greift für Microsoft bisher nicht. Führende Blogger oder einflussreiche Communities propagieren alle möglichen Startups, aber nicht Microsoft.

Diese Tatsache gestand Brian Hall im Prinzip ein. Microsoft beschreitet bei der Vermarktung von Live daher gewohnte Wege, nämlich über die Ausnutzung seiner Vormachtstellung bei PC-Software. Im Rahmen der Live-Aktivitäten entsteht ein ganzes Bündel Desktop-Software, das die Web-Dienste ergänzen und aufwerten soll. Dazu zählen etwa ein neuer Mail-Client, eine Bildbearbeitungssoftware oder ein Blog-Editor (Live Writer). Sie unter die Leute zu bringen dürfte für Microsoft nicht schwer sein. Wenn man in Windows Live Mail eine Nachricht mit Bildanhängen erhält, kann man diese mit ein paar Mausklicks in die Photo Gallery hochladen. Ähnliches gilt für die Bildbearbeitung, auch der Messenger und Hotmail sollen verstärkt für die Propagierung anderer MS-Dienste herhalten.

Microsoft bemüht sich offensichtlich gar nicht darum, die originellsten und innovativsten Web-Anwendungen zu entwickeln. Als Massenanbieter versucht es über traditionelle Wege einen Teil der potenziell riesig großen Anwenderschaft zu gewinnen. Die bevorzugten Mittel sind erneut nahtlose Integration mit Windows und einfache Bedienbarkeit. Wenn der Plan aufgeht, könnte Live das AOL dieses Jahrzehnts werden: Die AOL-Web-Einsteiger der 90er Jahre wurden zwar zum Gespött des Usenet, garantierten dem Unternehmen aber gute Geschäfte.

Kategorie: Firmenstrategien, Medien und Web-Dienste 2 Kommentare »

2 Antworten zu “Windows Live: ankündigen, versprechen, warten”

  1. Daniel sagt:

    Ohne weiteres wird Microsoft einfach nicht an Google vorbeikommen.. auch wenn sie jetzt Yahoo aufkaufen sollten.