Tipps zum Betreiben eines Wiki
11. Januar 2008 von Wolfgang SommergutDas wesentliche Merkmal von Wikis besteht darin, dass dort mehrere Autoren gemeinsam Dokumente erstellen und bearbeiten. Ein Wiki kann sich wie im Fall der Wikipedia selbst organisieren oder dahinter steht ein Betreiber, etwa in Form einer Einzelperson oder einer Firma. Außerdem kann es im öffentlichen Web oder hinter der Firewall eines Unternehmens existieren. Zwischen einem Community-getriebenen öffentlichen Wiki und einer firmeninternen Implementierung gibt es naturgemäß erhebliche Unterschiede. Gleichzeitig haben all diese Formen einige Gemeinsamkeiten. Dazu zählt vor allem, dass es gelingen muss, Leute für die Mitarbeit am Wiki zu gewinnen, damit es seinen Zweck erfüllt. Die folgenden Tipps entspringen meiner Erfahrung mit dem Computerwoche-Wiki und richten sich daher vornehmlich an Personen und Firmen, die Wikis im öffentlichen Web betreiben möchten.
- Aus eigener Kraft: Wer einigermaßen ambitionierte Wiki-Pläne verfolgt (also nicht nur ein Projekt dokumentieren oder Wifi-Hotspots sammeln möchte), soll sich überlegen, wieviel Zeit und Arbeit er investieren kann. Man muss das Vorhaben nicht nur zu Beginn mit ein paar Texten anschieben, sondern auf Dauer die treibende Kraft hinter dem Wiki bleiben. Das heißt in der Praxis, dass man regelmäßig selbst Texte verfasst und zudem potenzielle Autoren sucht und sie um Beiträge bittet. Nur ein aktives und gepflegtes Wiki ist für Andere als Publikationsplattform interessant.
- Verbindliche Spielregeln: Besucher oder Mitarbeiter, die zum Wiki beitragen möchten, sollten in einem eigenen Dokument über Spielregeln und Ziele aufgeklärt werden. Dazu zählen nicht nur Hinweise auf die Etiquette, sondern auch auf die Art der gewünschten Beiträge, auf Qualitätsstandards oder auf Anleitungen zur Bedienung der Software. Klare Richtlinien, deren Einhaltung einigen wenigen Verantwortlichen obliegt, lassen sich durchaus als Vorteil gegenüber Community-getriebenen Wikis präsentieren. Beiträger können sich in dieser Konstellation anders als etwa bei der Wikipedia darauf verlassen, dass ihre Arbeit nicht von selbsternannten Löschexperten oder notorischen Besserwissern zunichte gemacht wird.
- Anreize für Autoren schaffen: In der Wikipedia tritt der Autor zugunsten des Gesamtprojekts zurück, kaum einer gibt sich mit seinem Namen zu erkennen. Die meisten Einträge erfolgen unter Pseudonymen oder gänzlich anonym. Dabei gibt es zahlreiche Autoren, die daran interessiert sind, über Publikationen im Web ihre Kompetenz zu beweisen. Dazu zählen etwa Experten aus der Industrie oder Beratungshäusern. Für diese Zielgruppe kann die Möglichkeit attraktiv sein, sich über ein Autorenportrait o.ä präsentieren zu können. Das gilt natürlich auch für firmeninterne Wikis, wo sich Mitarbeiter als Experten profilieren können.
Außerdem ist es eine gute Idee, die standardmäßigen Registrierungs-Mails, die das System bei Anmeldung eines neuen Benutzers verschickt, zu überarbeiten. Die meisten Wiki-Implementierungen erlauben das Bearbeiten einer dafür vorgesehenen Schablone. Neben einer etwas persönlicheren Anrede kann man dort einen informativen Begrüßungstext unterbringen und auf wichtige Dokumente, etwa die Spielregeln und Hilfeseiten für die Wiki-Syntax, verweisen - Änderungen leicht nachverfolgbar machen: Wikis führen von Haus aus eine Dokumentenhistorie und erlauben das Zurücksetzen eines Textes auf eine ältere Version. Die meisten Systeme bieten einen Überblick darüber, was sich im Wiki insgesamt oder auf einer bestimmten Seite getan hat. Die Veränderungen kann man entweder interaktiv oder über RSS-Feeds verfolgen. Für Autoren, die das Wiki nicht regelmäßig nach Änderungen in ihren Texten abklappern wollen und zudem keinen RSS-Reader nutzen, empfiehlt es sich, eine Benachrichtigung per Mail anzubieten. Auf diese Weise kann ein Verfasser die Veränderungen in „seinen“ Dokumenten als Mail-Service abonnieren.
- Zugriffsberechtigungen: Im Gegensatz zum ursprünglichen Wiki-Gedanken, wonach jeder Besucher jede Seite editieren darf, empfiehlt es sich, bei Wikis im öffentlichen Web mit den Zugriffsrechten nicht zu großzügig umzugehen (bei Enterprise-Wikis müssen sich die Benutzer in der Regel ohnehin anmelden). Während die Wikipedia mit ihrer großen Community zumindest bei den populären Einträgen mit Spam und Vandalismus noch recht gut fertig wird, überfordern diese destruktiven Aktivitäten die Ressourcen der meisten Wiki-Betreiber. Beim Einsatz eines Rechte-Managements, das viele Wiki-Systeme mittlerweile unterstützen, gilt es aber einen Mittelweg zwischen zu restriktiv und zu offen zu finden.
Ein guter Ansatz besteht darin, den Besuchern die Möglichkeit zu bieten, sich selbst zu registrieren. Auf diese Weise wird der Administrator nicht mit dem Anlegen von Benutzerkonten behelligt und der potenzielle Autor erhält innerhalb von Minuten seinen Zugang. Dabei erzwingt die Software (das gilt beispielsweise für Dokuwiki) in der Regel die Angabe einer gültigen Mail-Adresse, weil auf diesem Weg das Passwort zugestellt wird. Man kann sich zusätzlich überlegen, wie tolerant man gegenüber Pseudonymen und ungültigen Namen ist. Wenn Besucher ihre Mail-Adresse und ihren (googlebaren) Namen angegeben haben, dann hebt das die Hemmschwelle für Bosheiten und Zerstörungslust, so dass man dieser Personengruppe weitgehende Rechte einräumen kann. Wenn Einzelne dennoch zu Unsinn aufgelegt sind, dann kann man das mit vertretbarem Aufwand in den Griff bekommen. - Navigation: Viele Wikis nutzen eine kaum modifizierte Standardinstallation von MediaWiki, die wenige Möglichkeiten bietet, durch die Wiki-Seiten zu navigieren. Der Besucher der Homepage kommt sich dort ziemlich verloren vor und erhält kaum Hinweise darauf, welche Texte sich in dem System verbergen. Da sich die Entwicklung des MediaWiki an den Bedürfnissen der Wikipedia orientiert, ist das nicht verwunderlich. In einer Enzyklopädie bewegt sich der Benutzer ausschließlich über Volltextsuche und Querverweise in den Artikeln. Wikis, die keinen enzyklopädischen Ansatz verfolgen, brauchen aber Navigationshilfen wie normale Websites, um dem Besucher einen Überblick über die vorhandenen Texte und deren Organisation zu geben. Dazu zählen primär Menüs, die nach Möglichkeit durch die Kategorien oder Rubriken geleiten.
- Verhältnis zur Wikipedia: Für Viele ist der Begriff „Wiki“ immer noch identisch mit „Wikipedia“. Die Enzyklopädie beeinflusst aber auch jene, die sich schon intensiver mit dem Thema auseinandergesetzt haben und selbst ein Wiki einrichten möchten. So orientieren sich viele Wikis in ihrem Aussehen an der Wikipedia, obwohl diese ästhetisch keine Offenbarung ist. Die alternative Gestaltung eines Wikis hilft auch dabei, dass Besucher darin kein Wikipedia-ähnliches Projekt sehen.
Die Strahlkraft der Wikipedia führt außerdem dazu, dass sich Wiki-Betreiber häufig am enzyklopädischen Modell orientieren und die Seiten wie eine Sammlung von Lemmata organisieren. Dabei eignen sich Wikis hervorragend für eine Reihe anderer Textsorten, etwa für FAQs, Tippsammlungen, Produktkritiken oder Marktübersichten, die sich ganz konventionell untereinander verlinken lassen.
Da Wikis zumeist als Wissensspeicher dienen, ergibt sich automatisch eine gewisse Nähe zur Wikipedia, indem für wesentliche Begriffe auf die Enzyklopädie verwiesen wird (wofür sich Interwiki-Links eignen). Umgekehrt nutzt es dem Besucher der Wikipedia, wenn man dort Seiten aus dem eigenen Wiki unter den Weblinks einträgt – vorausgesetzt, man hat mehr zu bieten als der entsprechende Wikipedia-Eintrag oder man kann ihn zumindest um nützliche Informationen ergänzen. Es gibt freilich keine Garantie dafür, dass der Link erhalten bleibt.
Siehe auch:
Die Wahl der richtigen Wiki-Software
Der Nutzen von Blog-Modulen in Wikis
Kategorie: Weblogs und Wikis 5 Kommentare »
Danke für den tollen Text ! Echt informativ und sehr hilfreich
[…]Wie startet und betreibt man ein Wiki? Tipps zum Betreiben eines Wiki gibt Wolfgang Sommergut in seinem gleichnamigen Blog[…]
Vielen Dank für diesen sehr informativen Text!
Ein sehr informativer Text, danke dafür. Einziger Kritikpunkt ist für mich die Aussage, dass der Zwang zu echten und „googlebaren“ Namen eine gute Idee sei. Hier werden Nutzer, die Anonym bleiben wollen, geradezu zum Identitätsdiebstahl angestiftet oder man schließt Nutzer aus, die einfach keine googlebare E-Mail-Adresse haben (wollen).
@Markus: Wie ein Betreiber den Missbrauch eines Wikis verhindern möchte, muss er selbst entscheiden. Eine gültige Mail-Adresse ist sicher schon eine gute und für die Nutzer zumutbare Maßnahme.
Die Verwendung von Pseudonymen kann man ohnehin nicht ganz ausschließen, insofern ist der Zwang nicht allzu groß. Ich weiß nicht, ob allzu viele User deshalb gleich Identitäten stehlen. Eher werden sie auf die Mitarbeit im Wiki verzichten.
Jeder Wiki-Betreiber muss somit seinen Weg zwischen Offenheit und Kontrolle finden, in der Regel durch Experimentieren.