Auch Analysten können irren

1. September 2004 von Wolfgang Sommergut

Die Marktforscher von Ovum äußern sich seit einiger Zeit in Eilkommentaren zu aktuellen Ereignissen. Entsprechende E-Mails beginnen mit einem lapidaren „Ovum on:“. Der zuletzt erschienene Kommentar trägt den Titel „Microsoft schedules a cut-down Longhorn for 2006“. In der Eile konnten die Analysten wohl nicht ausreichend recherchieren. Die Schlussfolgerungen sind dennoch ganz interessant.

Ein Schnitzer unterlief den sonst seriösen Marktforschern von Ovum mit der Behauptung:

Microsoft has made it clear in the past that Indigo will be supported on earlier versions of Windows than Longhorn. This leaves Microsoft facing the prospect that the only new functionality in its much-heralded Longhorn release will be the Avalon presentation capabilities.

Bereits vier Tage vor diesem Memo war die Pressemitteilung von Microsoft erschienen. Sie stellt klar, dass auch Avalon auf frühere Windows-Versionen portiert wird:

Microsoft also announced that the Windows WinFX developer technologies, including the new presentation subsystem code-named „Avalon“ and the new communication subsystem code-named Indigo, will be made available for Microsoft® Windows XP and Windows Server 2003 in 2006.

Berücksichtigt man diese Tatsache in der Schlussfolgerung von Ovum, so müsste die Aussage konsequenterweise lauten, dass Longhorn keine neuen Funktionen bieten wird.
Die Ovum-Leute könnten aber in gewisser Weise noch Recht behalten, wenn man einem Artikel der Business Week glauben darf. Demnach dürfte man von der Portierung von Avalon auf XP nicht zu viel erwarten:

Microsoft also said some Longhorn features would be added to Windows XP. But don’t get excited about seeing this anytime soon. (..) This will make life easier for developers, but users will see little or no difference.

Die Ovum-Analysten ziehen aus den gekürzten Hörnern des nächsten Windows, das frühestens in der zweiten Hälfte 2006 kommen soll, noch einen anderen Schluss:

Longhorn may not be as much of a threat to Linux as originally envisaged.

Umgekehrt wird ein Schuh draus: Linux muss nicht erst durch Windows bedroht werden, es hat am Desktop nicht viel zu verlieren. Aber das gestutzte Longhorn bietet Linux die Chance, ein paar Prozentpunkte zuzulegen.

Kategorie: Windows 2 Kommentare »

2 Antworten zu “Auch Analysten können irren”

  1. Nette Ergänzung:
    It’s hard to cry a river for a company like Microsoft, but sometimes they’re damned if they don’t („Microsoft never innovates“) and damned if they do („Microsoft never ships“).
    Jon Udell (in Bezug auf WinFS)
    (http://weblog.infoworld.com/udell/2004/09/01.html#a1066)

  2. Im Fall von Longhorn müssen wir uns nicht entscheiden. Da kriegen wir ja beides ;-)