Blogger als billige Content-Lieferanten?

15. September 2004 von Wolfgang Sommergut

Zurzeit erhitzt die Debatte (oder auch hier) um NEWS aus dem Verlag Handelsblatt die Gemüter. Die Publikation bedient sich in der Blogosphere und druckt von dort eine Zusammenschau zu bestimmten Themen ab. Autorenhonorare gibt es dafür keine. Das ist offenbar Anlass genug, um sich über den angeblichen Missbrauch von Weblogs zu ereifern.

Die NEWS-Macher charakterisieren ihre Blog-Übersicht folgendermaßen:

Erfahrene Blogger stellen mit 20six und myblog.de für NEWS täglich interessante Diskussionsbeiträge in deutschsprachigen Weblogs zusammen. Dieses begleitende Weblog bietet alle Beiträge mit Links im Volltext.

Die Aufbereitung folgt selbst dem Stil eines Weblogs und ist durchaus mit anderen Metabloggern vergleichbar. Jeder zitierte Beitrag wird verlinkt, wie es in der Blogosphere erwartet wird. Die Kommentarfunktion ist allerdings deaktiviert wird, was den Beitreibern sofort angekreidet wird. Ich wüsste nicht, was dagegen einzuwänden wäre. Fänden die Diskussionen zu den zitierten Beiträgen auf dem NEWSblog statt und nicht bei den Originaltexten, wäre das Geschrei vermutlich noch größer. Für Unmut sorgt zudem, dass Weblog-Beiträge auch im Print erscheinen.

Ärgerlich finde ich die persönliche Verunglimpfung von Stephan Mosel, der als einer der erfahrerenen Blogger für NEWS arbeitet. In typisch deutscher Manier wird er als Nestbeschmutzer abgestempelt, weil er sich für so eine Aktion hergibt. Das Räsonieren über Geschäftsmöglichkeiten für Weblogs gehört zwar zu den beliebtesten Beschäftigungen von Bloggern, aber wenn einer wirklich ein bisschen Geld damit verdient, dann fällt die Meute über ihn her. Eine derartige Reaktion wäre in der englischsprachigen Blogosphere kaum vorstellbar. Der oberste Ankläger hat übrigens kürzlich ein Buch veröffentlicht, das laut Waschzettel zum ersten Mal eine knallbunte Auswahl der deutschsprachigen Bloggosphäre bringt:

15 der besten BloggerInnen erzählen von der Magie des Alltags und ihrem analogen und digitalen Leben: Vom Treffen mit dem Teufel über Liebe und Sex bis zum Kochrezept und zur Literatur.

Ob die ein Honorar bekommen haben?
Im Übrigen ist die Idee auch bei uns nicht neu, Blogger als preiswerte Content-Lieferanten für Verlage arbeiten zu lassen. Niemand hat sich bisher etwa darüber mokiert, dass vnu sein IT-Frontal auf diese Weise bestreitet.

Kategorie: Content-Management, Weblogs und Wikis 19 Kommentare »

19 Antworten zu “Blogger als billige Content-Lieferanten?”

  1. ix sagt:

    natürlich habe die autoren von blogs! ein honorar bekommen. für wie blöd hälst du die autoren (oder gar herausgeber) eigentlich?

  2. Volker Weber sagt:

    Felix, du bist doch sonst eher „cool“. Da solltest Du eine als Frage eingekleidete Feststellung schon erkennen, oder?

  3. Don Alphonso sagt:

    Ganz einfach, für old friends from the Munich Area:
    Ich schreibe Buch – ich kriege Honorar = ok
    Ich schreibe Text – jemand druckt ihn ab – spart Journalist – generiert Profit – fragt mich nicht = lebt von meiner Leistung und ist nicht ok
    Aber ich weiss, Content Syndicators denken in Sachen Urheberrechte oft lax.

  4. Sanníe sagt:

    Ich bin uncool und kann aus der Frage auch mit gutem Willen keine Feststellung lesen.
    > Das Räsonieren über Geschäftsmöglichkeiten für
    > Weblogs gehört zwar zu den beliebtesten
    > Beschäftigungen von Bloggern
    Das mag in Ihren Kreisen so sein, die Blogs, die ich täglich lese, interessiert das weniger.

  5. Arturu sagt:

    „Das Räsonieren über Geschäftsmöglichkeiten für Weblogs gehört zwar zu den beliebtesten Beschäftigungen von Bloggern,“ – – – und besonders Klaus Eck und CyDome sind da ganz fleissige Jungs und sülzen dauernd bei Verlagen rum >gg<.

  6. Das Thema „Geld verdienen mit Weblogs“ treibt wohl einige Blogger um (und nicht nur die „fleißigen Jungs“ von cyDome):
    http://www.google.de/search?q=Geld+Weblogs
    Im Übrigen sollte die Frage nach dem Honorar der BLOGS!-Autoren zulässig sein. Es gibt offenbar genug Blogger, die so „blöd“ sind, aus Gründen der Selbstvermarktung ohne Honorar zu schreiben (m.W. auf IT-Frontal). Ob die Rechnung aufgeht, muss jeder selbst beurteilen.

  7. So einfach, wie Du das darstellst, ist es wohl nicht. Stefan Mosel verdient hier ja sein Geld nicht als Blogger, sondern er kassiert wohl für das Zusammenstellen von Beiträgen, die er woanders abgreift.
    http://www.news-frankfurt.com/psnfr/fn/nfr/sfn/showedetail/DocID/2123/EditionID/4/SectionID/11/PageID/2120/pDay/15.09.2004%2000:00:00/showtyp/1/SH/0/index.html
    Ausserdem ist der Stil der Seite unterste „journalistische“ Schublade: „GABI IST entsetzt: ‚Ich will sie nicht zurück…'“ (Erinnert mich auch irgendwie an die Zonen-Gabi… http://www.tim-peter.de/Zonen-Gabi.jpg)
    In dieser Form der Wiederverwertung/Verwurstung ausserhalb des interaktiven Web-Kontexts kommen die „Tagebuchschreiber“ als die seltsamen Freaks rüber, die zu jeder Kleinigkeit ihren Senf abgeben und damit das Web zumüllen.
    Man darf die Wirkung dieser journalistischen Darreichungsform nicht übersehen: Es werden keine Blog-Beiträge mit in sich schlüssiger Argumentationslinie veröffentlicht (was – gegen Bezahlung – in Ordung wäre). Statt dessen wird gnadenlos aus dem Kontext gerissen. Blogs dienen hier als unerschöpfliche Abraumhalde von Meinungsfetzen für faule Journalisten, die sich selber nicht die Finger schmutzig machen wollen.
    Man sollte hier mal den Vergleich zu den bekannten Presseschauen ziehen: In einer Presseschau wird ein Artikel als „Gesamtwerk“ nicht angetastet und stattdessen versucht, seine Essenz darzustellen. Man sollte bei NEWS zumindest versuchen, dieses Prinzip auf Blogs übertragen, um dem Medium gerecht zu werden.

  8. ix sagt:

    @volker, nö. ich erkenne da keine feststellung.
    @wolfgang, die frage nach dem honorar soll zulässig sein, unterstellt aber eben implizit den autoren von blogs! blödheit. deshalb sollte meine frage danach für wie blöd du sie hälst auch zulässig sein.

  9. Wolfgang, was die journalistische Qualität der Texte angeht, magst du ja recht haben. Bei den Tiraden gegen NEWS ging es aber primär darum, dass Blogger angeblich als kostenlose Content-Lieferanten ausgebeutet werden und einer der ihren sich dabei die Finger schmutzig macht.

    Stefan Mosel verdient sein Geld bei NEWS nicht als Blogger, wäre aber wohl kaum in diese Situation gekommen, wenn er keinen Weblog führen würde. Insoferene kann man seine Tätigkeit getrost als Geschäftsmodell für Blogger ansehen.
    Was das Aus-dem-Kontext-Reißen angeht: Dein Vorwurf gilt dann für alle Versuche, verteilte Inhalte aus einem Hypertextmedium in einer Printpublikation wiederzugeben. Linkstrukturen lassen sich dort nicht vernünftig abbilden. Die meisten Verlage zerbrechen sich den Kopf darüber, wie sie Print und Online verzahnen können. Auf der Seite des bedruckten Papiers kommt da selten mehr heraus als Kästen mit Verweisen auf die Website.

  10. Ich würds eher so bezeichnen: Der eigene Blog als Sprungbrett für einen x-beliebigen Job. Ein netter Zufall für Mosel, aber das, was ihn als Blogger qualifiziert, lässt sich in seinem NEWS-Job nicht erkennen.
    Für sich genommen kommt der der Inhalt auf NEWS absonderlich blöd rüber. Da muss mich zunächst nicht interessieren, ob die Übertragung von Online auf Print schwierig ist. Dass das Zeug tatsächlich von Blogs stammt, kann man dann allenfalls als Beleg dafür sehen, dass die Transformation nicht gelingt – und es lieber lassen.
    Natürlich kann man einen Online-Text oder einen ganzen Blog-Beitrag auch vernünftig in Print wiedergeben – mit den gewissen Abstrichen bei Links u.Ä.. Was dann immerhin bleibt, ist das, worin sich Web- und Print-Texte nicht unterscheiden: Ihre medienunabhängige Aussage.
    Was hingegen NEWS macht, ist eine blöde Boulevard-Masche, die Du als Medien-Insider ja auch kennst: „Her mit dem O-Ton, und möglichst reisserisch soll er natürlich sein.“ Und dafür sind Blogs natürlich eine tolle Fundgrube. Ich muss niemanden anrufen, nicht mal auf Leserzuschriften warten, sondern mach eine ganze Seite nur mit zusammengeklaubten Blogfetzen. Alles O-Ton, alles irgendwie authentisch, alles wunderbar…

  11. fremder sagt:

    GABI IST entsetzt:
    http://www.wirrwahr.ne
    TIMO ZIMMER über die Wiedervereinigung:
    http://mind-bullets.de/
    LILA FRAGT nach Alternativen:http://rungholt.blogg.de
    BLOGGER BSCHATZ stellt sich die Rückkehr in die DDR vor:http://myblog.de/
    JENNY BEYER schreibt klein:
    und dann ein paar Säte. Was is n das für eine usammenstellung? Kann man das nicht anders machen, wenn man schon für eine halbe Zeitungsseite verantwortlich ist? Oje, sind die Oberblogger doof! Und wegen so einem Kram so eine Diskussion. So geht das doch nicht. Oder ist News noch ein schlimmeres Schmierblatt wie die Boedeitung? Mein Buchstabe …geht hierdrum lass ich es lieber.

  12. Don Alphonso sagt:

    Ich kann schon was zu Blogs! sagen. Wir haben einen – für ein derartiges „High Risk Projekt“ – hohen, nicht rückzahlbaren Vorschuss von in etwa der Höhe des Honorars für die Verkäufe der 1. Auflage bekommen. Das ist für die enorme Arbeit nicht viel Geld, aber 1. haben wir von den Texten nur das 2.-Verwertungsrecht und 2. hat sich schnell gezeigt, dass die leute es für den Spass machen, und das gefühl, in einem Buch nach ihren Wünschen und Vorstellungen gedruckt zu werden – was aber etwas ganz anderes ist, als das, was News macht.

  13. Don Alphonso sagt:

    Um es nochmal klar zu sagen: natürlich bekamen die Blogger einen Anteil am Honorar!

  14. Klaus Eck sagt:

    Über Erfolg oder Misserfolg des Konzepts der „Boulevard-Masche“ können wir sicherlich diskutieren, aber gegen das grundsätzliche Offline-Zitieren von Weblogs ist doch nun wirklich rein gar nichts einzuwänden. Letztlich ist das Ganze allerdings auch noch eine Stilfrage. Seriös wäre es, zumindest die Blogger jeweils um ihr Einverständnis zu bitten. Um Content Syndication im klassischen Sinne handelt es sich hierbei eigentlich weniger. Das Thema heißt eher: Wie zitiere ich richtig… ( siehe auch meinen Beitrag im http://www.PR-Blogger.de)

  15. Klaus: Nein, Einverständnis einzuholen, hat nichts mit der Frage von seriös oder nicht seriös zu tun. Dieses „Abnicken“ von Zitaten gibt es so fast nur in Deutschland und ist fast allen Journalisten ein Dorn im Auge, die seriös arbeiten (Don Alphonso: dir sicher auch IRL). Wer was öffentlich sagt, muss damit leben, damit zitiert zu werden. Ende. Aus. Da kann es imho keine zwei Meinungen zu geben.
    Ob oder dass NEWS beknackt ist, steht auf einem anderen Blatt. Aber das sind viele andere Zeitungen auch.
    Die Frage nach den Honoraren ist einfach nur bigott. Bäh.

  16. Klaus Eck sagt:

    Haltungsturner: Das ist völlig richtig, beim Zitieren muss niemand gefragt werden. Eine rechtliche Grundlage gibt es dafür nicht. Allerdings ist es manchmal eine Stilfrage. Beim Blogging ist es ohnehin kaum möglich, geschweige denn üblich.
    Ein Must sollte es hingegen bei der Content-Weiterverwertung sein, was in diesem Falle nicht gegegeben ist…

  17. Don Alphonso sagt:

    Mit allerbesten Grüssen an Herrn Eck aka Content Bizz.

  18. Klaus Eck sagt:

    Grüße gerne zurück an Don A., die beste Antwort auf den FR-Artikel gibt Mario Scheuermann unter http://drinktank.blogg.de/eintrag.php?id=588

    PING:
    TITLE: Wie praktisch
    BLOG NAME: vowe dot net
    Megawatt trifft den Fisch zwischen die Kiemen: Helle Aufregung in Deutschlands kleiner Bloggerszene: „News“ aus Frankfurt zitiert Weblogs, ohne – und jetzt kommts: ohne die Weblogbetreiber untertänigst um Erlaubnis zu bitten. Hat man sowas schön gehört…

    PING:
    TITLE: Wie praktisch
    BLOG NAME: Notizblog.de
    Man kann ja so viel Zeit sparen, wenn anderswo knackig auf den Punkt gebracht wird, was man selbst denkt: Megawatt schreibt über das aktuelle Skandälchen: »Helle Aufregung in Deutschlands kleiner

    PING:
    TITLE: „News“: Weblogs in der Zeitung
    BLOG NAME: PlasticThinking: Moe’s Blog.
    News ist der Name einer gestern in Frankfurt gestarteten Tabloid-Zeitung. In dieser wird es zunächst täglich eine Blogschau geben, welche kurze Zitate aus Weblogs zu ausgewählten Themen präsentiert…

    PING:
    TITLE: Blogger laufen Amok gegen Zitate
    BLOG NAME: PR Blogger
    Blogger wollen gerne zitiert werden. Das dachte ich zumindest bis heute. Eine feine Sache, so ein Zitat in einem anderen Weblog. Sobald der Link jedoch in einer Zeitung steht, verändert sich anscheinend alles. Auf die kommerzielle Verwendung ihrer Blo…

    PING:
    TITLE: Lamento
    BLOG NAME: the drink tank
    Seit zwei Tagen proben Deutschlands Alt-Blogger den Aufstand. Verschanzen sich in Don Alphonsos BlogBar wie einst die Kommune in Paris, bereit zum letzten G…