Das Elend des Online-Journalismus: Klicks, Quoten, Reizwörter

12. Juni 2007 von Wolfgang Sommergut

Steffen Range und Roland Schweins haben im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung eine Studie zum Thema „Wie das Web den Journalismus verändert“ (PDF) verfasst. Die Lektüre der profunden Untersuchung lohnt sich auch (und besonders) dann, wenn man das Geschäft aus eigener Anschauung kennt. Die Autoren kommen zu ernüchternden Ergebnissen, ohne dabei der guten alten Zeit nachzutrauern, als die Verlage noch das Publikationsmonopol hatten.

Die beiden Autoren argumentieren vielmehr auf Basis einer detaillierten Bestandsaufnahme und belegen anhand von Zahlen die schwindende Bedeutung des Journalismus beim Streben nach hohen Page Impressions:

Die wenigsten Klicks der verlegerischen Sites gehen auf redaktionelle Inhalte zurück. Die meisten Portale und wohl auch Zeitungen generieren nicht einmal ein Fünftel ihrer Zugriffe aus originären redaktionellen Texten. Das Gros der Klicks ist dem Einsatz von Bildergalerien, dem Zugriff auf Wertpapierdepots, Partnerbörsen, Aktienkurs-Abfragen, Job-Datenbanken geschuldet, die allesamt in die Klickstatistik einfließen

Journalismus kommt der Studie zufolge beim Ringen um die Quote nicht nur quantitativ , sondern auch qualitativ zu kurz. Wie beim Privatfernsehen führe die Orientierung an den Einschaltziffern zu einer Ausrichtung auf den Massengeschmack. Die Macht der Suchmaschinen bewirke zudem eine standardisierte und mechanistische Berichterstattung. Die Hauptbeschäftigung des Online-Redakteurs bestehe immer weniger im Recherchieren und Schreiben eigener Geschichten, vielmehr mutiere er zu einem Content-Manager. Seine Tätigkeit konzentriere sich im Wesentlichen auf Zweitverwertung, Bearbeitung und Anpassung angelieferter Texte. Damit steige die Abhängigkeit der Verlage von den Nachrichtenagenturen, deren Texte sie mehr oder weniger modifiziert veröffentlichen.

Die uniforme Berichterstattung von Verlagspublikationen, die im Wettbewerb mit journalismusfernen Portalen stehen, bewirke eine Verarmung der Stilformen, es dominieren Meldung und Bericht. Wenn die ökonomischen Zwänge der Verlage für diese Austrocknung journalistischer Darstellungsformen verantwortlich sind, dann liegt es nahe, auf Instanzen zu hoffen, die solchen wirtschaftlichen Imperativen nicht gehorchen müssen. Dazu zählen etwa die meisten Weblogs, die von den Autoren zumeist nicht als Verdienstquelle betrachtet werden.

Aber auch hier haben die Verfasser der Studie wenig Hoffnung: Auch das Schreiben von Weblogs kann kaum als neues Format, sondern eher als Verzicht auf journalistische Stilformen angesehen werden. Bedenkt man, dass viele Blogger sich als Gegeninstanz zu den etablierten Medien verstehen und journalstische Stilformen explizit ablehnen (und in der Regel gar nicht beherrschen), dann scheint diese Einschätzung plausibel. Angesichts der prekären Situation vieler Verlage und des Online-Journalismus stellt sich die Frage, ob Blogger sich nicht stärker an den Idealen eines Qualitätsjournalismus orientieren und ihr Feindbild anderswo suchen sollten – etwa bei den auf seichte Unterhaltung spezialisierten Portalen.

Kategorie: Medien und Web-Dienste, Weblogs und Wikis 7 Kommentare »

7 Antworten zu “Das Elend des Online-Journalismus: Klicks, Quoten, Reizwörter”

  1. […] , Internet Der Online-Journalist, leitender Redakteur bei der Computerwoche und Blogger Wolfgang Sommergut nimmt Stellung zum Elend in seinem Berufsstand und zitiert aus einer aktuellen Studie: Die […]

  2. […] Aussage in Das Elend des Online-Journalismus: Klicks, Quoten, Reizwörter: Die wenigsten Klicks der verlegerischen Sites gehen auf redaktionelle Inhalte zurück. Die […]

  3. […] Elend des Online-Journalismus: Klicks, Quoten, Reizwörter« via Robert Basic bei sommergut.de gefunden, Foto unter CC-Lizenz von chaosinjune bei […]

  4. Sorry, aber die Aussagen in der Passage:
    „Bedenkt man, dass viele Blogger sich als Gegeninstanz zu den etablierten Medien verstehen und journalstische Stilformen explizit ablehnen (und in der Regel gar nicht beherrschen), dann scheint diese Einschätzung plausibel. Angesichts der prekären Situation vieler Verlage und des Online-Journalismus stellt sich die Frage, ob Blogger sich nicht stärker an den Idealen eines Qualitätsjournalismus orientieren und ihr Feindbild anderswo suchen sollten – etwa bei den auf seichte Unterhaltung spezialisierten Portalen.“

    sind in der Tat sehr „Selektive Wahrnehmungen zu Web, Content & Collaboration. Ich stimme zu, dass einige weniger Blogger sich explizit als Gegeninstanz zu den etablierten Medien sehen. Aber, das Feindbild wird wenn überhaupt von den Profis selbst aufgebaut. Sie leiten ledliglich aus der Tatsacher, dass es eine steigende Zahl von Medien(kritischen)bloggern ab, dass man ihnen da die Butter vom Brot nehmen will. Auch das mit den journalistischen Stilformen kann man so und so sehen. Sich an eine Form zu ahlten heisst noch lange nicht, dass es inhaltlich gut ist. Genauso ist ein Blogeintrag noch lange nicht deswegen gut, weil er sich nicht an Formen hält. ENtscheidend ist doch wie sehr ein Autor einen Materie durchdrungen hat und wie gut er oder sie es versteht diese Materie den Lesern verständlich zu vermitteln. Hier versagt der professionelle Journalismus täglich, inbesondere im Regionalen.

  5. Cordula sagt:

    Lasst doch dieses Finger Pointing. Es bringt doch nichts. Es gibt reichlich interessante Themen, die recherchiert werden wollen – egal, von wem.
    Und dass sich die Lesegewohnheiten verändert haben, ist doch auch ein alter Hut. Das heißt aber nicht, dass die Leser Schrott wollen. Das ist eine schlechte Ausrede für schlechten Content (oder wie auch immer man das nennen möchte).

  6. […] Brilliante Analyse. Aus “Klicks, Quoten, Reizwörter: Nachrichte-Sites im Internet. Wie das Web den Journalismus verändert” von Steffen Range und Roland Schweins im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung. Via Wolfgang. […]