Die Wiederkehr von Weblogs als Online-Tagebücher

23. Januar 2007 von Wolfgang Sommergut

In den Anfängen der deutschen Blogosphere mokierten sich Blogger immer wieder über Journalisten, die unverbesserlich von Online-Tagebüchern schrieben. Weblogs seien viel mehr als nur persönliche Aufzeichnungen, so der regelmäßig vorgebrachte Einwand. Die Inhalte und die Darstellung beschränkten sich keineswegs auf private Erlebnisse.

Tatsächlich hat sich die Blogosphere auch hierzulande ausdifferenziert, von Business- und Marketing-Weblogs über Watch-Blogs bis zu reinen Link-Sammlungen. Ironischerweise scheinen jedoch Weblogs als firmeninternes Kommunikationsmittel wieder mehr den Typus Online-Tagebuch zu fördern. Dabei geht es jedoch nicht darum, dass sich eine protestantisch geprägte Innerlichkeit nach außen stülpt und ihre Befindlichkeit detailliert preisgibt.

Sieht man sich die Enterprise-Varianten von Blog-Tools an und betrachtet, wie die großen Software-Hersteller diese anpreisen, dann fungieren sie als Werkzeuge, mit denen Mitarbeiter ihre Expertise für bestimmte Themen kundtun oder ihr Wissen an andere weitergeben können. Solche internen Weblogs sollen etwa vermeiden, dass jemand ein bestimmtes Problem nochmals löst, obwohl das schon jemand anderem gelungen ist.

Dies setzt allerdings voraus, dass Mitarbeiter ihre Arbeit regelmäßig protokollieren. Nur so lässt sich herausfinden, dass sich bestimmte Personen schon mit diesem oder jenem Thema beschäftigt haben. System One, die als Frontend kein Blog, sondern eher ein Wikilog einsetzen, spricht in diesem Zusammenhang von der Wiederkehr des Journals. Auch die Anwendungsbeispiele, die IBM auf der Lotusphere für Connections und Quickr präsentiert, haben mehr mit einem Rechenschaftsbericht zu tun als mit dem Ausdruck persönlicher Weltsichten.

Kombiniert man Blogs mit den Profilseiten, die Connections oder Microsofts Sharepoint nach dem Vorbild von Facebook oder MySpace anbieten, dann ist der gläserne Mitarbeiter gar nicht mehr so weit:

Your professional competence will be more and more visible. As a result, the successful will get more successful, and the unsuccessful will have fewer second chances. Potential clients and recruiters are finding it easier to evaluate your visibility and knowledge in your industry, by reviewing your blog or using a biography analysis tool like ZoomInfo. („10 BIG effects of social software„)

Jeder steht unter dem Druck, sich über diese Tools kompetent und wertvoll zu präsentieren, ohne dabei zuviel exklusives Wissen abzugeben, das ihn schwer ersetzbar macht.

Kategorie: Weblogs und Wikis Kommentare deaktiviert für Die Wiederkehr von Weblogs als Online-Tagebücher

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