Fadenscheinige Argumente für Microsofts Office Open XML

2. Dezember 2005 von Wolfgang Sommergut

Seit der Ankündigung von Microsoft, dass die XML-Dateiformate von Office geöffnet und bei der ECMA standardisiert werden, gibt es eine heftige Debatte über den Sinn dieses Vorgehens. Sie dreht sich vor allem um die Frage, wieso es eines weiteres Office-XML-Formats bedürfe, nachdem mit dem Open Document Format bereits ein Standard existiert. Microsoft ließ sich eine Reihe von Gründen einfallen, warum das ODF angeblich nicht in Frage kam.

  • ODF ist für OpenOffice optimiert. An der Working Group bei Oasis waren mehrere Firmen beteiligt. Microsoft war eingeladen, ebenfalls an ODF mitzuarbeiten, schlug die Einladung aber aus. Wenn nun ein Format herausgekommen sein sollte, das auf OpenOffice zugeschnitten ist, dann ist dafür auch Microsoft verantwortlich (erstaunlicherweise sind jedoch mehrere andere Anwendungen in der Lage, das Format trotzdem zu nutzen).
  • Office Open XML über die Ecma und nachfolgend die ISO zu standardisieren, sei im Sinne der Kunden der schnellste und darum beste Weg. Der wirkliche Grund dafür, dass das Office-Format standardisiert werden soll, ist nicht das Wohl der Kunden, sondern liegt in der Entscheidung des amerikanischen Bundesstaats Massachusetts, nur noch Office-Applikationen einzusetzen, die ein offenes Dateiformat nutzen. Für Microsoft drohten damit neue Probleme im öffentlichen Sektor, nachdem ja dort Linux bereits zu lästigen Konkurrenz geworden ist (siehe „Limux“). Die Entscheidung gegen das ODF fiel in Redmond längst vor dem Entschluss, das eigene Format über die ECMA zu standardieren (und war daher offenbar gar nicht als ein alternativer Standard vorgesehen).
  • Es existieren Milliarden von Office-Dokumenten in den bisherigen Binärformaten. Das XML-Format muss wegen der erforderlichen Abwärtskompatibiltät in der Lage sein, alle Merkmale der der bestehenden Dokumente abzubilden. Microsoft versprach, auch für ältere Office-Versionen Import- und Exportfilter anzubieten, die das neue XML-Format lesen und schreiben können. Ich bin gespannt, wie weit diese Unterstützung zurückreichen wird. Mein Tipp: maximal Office XP.
  • Mit OpenDocument lassen sich wichtige Features von Microsoft Office – etwa Pivot-Tabellen – nicht abbilden. Dieses Argument ist eine Variante des vorhergehenden und ließe sich folgendermaßen paraphrasieren: „Wenn man alle Features von Office in einem XML-Speicherformat abbilden will, benötigt man ein vollständig neues Schema“. Tim Bray entgegnet darauf zu Recht:

    Microsoft wants there to be an office-document XML format that covers their billions of legacy documents, and they want it to be open. Fair enough; I approve. But why do we have to re-invent all the basic stuff, and have two ways to express „This paragraph is in 12-point Arial with 1.2em leading and ragged-right justification“ or „K37 is the average of B37 through H37“?

    Technisch gesehen ließe sich die große Masse der Gemeinsamkeiten in einem Standardformat wie ODF abbilden. Microsoft könnte alle jene Funktionen seiner Anwendungen, die sich damit nicht ausdrücken lassen, über einen eigenen XML-Namespace ergänzen.

  • Microsoft glaubt an kundendefinierte XML-Schemas, die sich über den von der OASIS propagierten Standard (= ODF) ebenfalls nicht realisieren lassen. Dieses Argument geht völlig ins Leere. ODF und Office Open XML sind die nativen Formate für die Büroanwendungen, die anstelle der bisher genutzten Binärdateien treten. Wenn aber jemand Word als XML-Editor nutzt und beispielsweise im DocBook-Format publiziert, dann interessieren ihn die Office-Standards nicht. Der möchte einfach nur DocBook-konforme Dokumente erstellen. Und da muss er unter Office 2003 ohnehin aufpassen: kommt man auf die Idee, den Text optisch ein bisschen aufzuputzen, dann reichert Word die kundenspezifische XML-Struktur mit Unmengen von WordML-Formatierungen an.

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