„Führender Web 3.0-Anbieter“

9. Oktober 2007 von Wolfgang Sommergut

Vor ca. 3 Monaten hatte ich Vertreter der Firma living-e in der Redaktion zu Besuch, darunter den eben ernannten CEO Dr. Wolfgang Kemna. Er gilt als SAP-Urgestein und war über Jahrzehnte beim Walldorfer Konzern tätig, zuletzt als Chef der US-Niederlassung. Ich hatte mich schon darauf vorbereitet, die Zukunft seines relativ kleinen Unternehmens im Commodity-Markt für Web-Content-Management-System (WCMS) zu hinterfragen. Wie sich aber schnell herausstellte, verfolgte Kemna andere Pläne.

Gut ausgestattet mit Venture-Kapital von SAP-Mitbegründer und Milliardär Klaus Tschira benötigte er living-e nur als Firmenhülle. Die Wahl fiel auf dieses Unternehmen, weil es bereits an der Börse notiert war und seinen Sitz in Karlsruhe hatte, wo die Tschira-Stiftung in der Villa Bosch residiert. Die bisherigen Produkte werden im Interesse der bestehenden Kunden zwar weitergeführt, aber das Unternehmen sollte neu auf sematische Technolgien und Informations-Management ausgerichtet werden. Im Lauf unseres Gesprächs erwiesen sich die Pläne als sehr schwammig. Man wolle nicht in den Markt für Enterprise-Suche einsteigen und mit Autonomy oder FAST konkurrieren. Die Firma wolle im Bereich Ontologien tätig werden, sich aber auch dort nicht an Firmen wie Ontoprise oder der USU AG orientieren.

Interessant an diesen vagen Aussichten fand ich, dass living-e anders rum aufgezäumt wurde, als dies bei Gründungen sonst der Fall ist. Am Anfang stand nicht eine Geschäfts- oder Produktidee, die sich mit Hilfe eines Kapitalgebers auf dem Markt durchsezten soll. Vielmehr begann der Neustart von living-e mit einem Sack Geld, für den in einem nicht genau umrissenen Technologiesektor eine Anlagemöglichkeit gesucht wurde. Die wesentliche Tätigkeit von Kemna bestand in den letzten Monaten darin, mögliche Übernahmekandidaten zu suchen, die living-e mit den ersehnten Technologien ausstatten würden – Eigenentwicklungen standen nicht auf der Tagesordnung.

Heute gab das Unternehmen in einer Pressemitteilung bekannt, dass es in der Saarbrücker Xtramind Technologies fündig geworden sei. Mit der Übernahme der Saarländer avanciere die auf 100 Mitarbeiter angewachsene living-e AG zum führenden Anbieter von Corporate Intelligence-Lösungen. Nicht genug damit: Laut Kemna eröffne die Bündelung beider Technologien die einmalige Chance, die führende Rolle bei der Bereitstellung intelligenter Unternehmenslösungen zur Verarbeitung von unstrukturierten Daten im rasant wachsenden Lösungsmarkt Web 3.0 einzunehmen. Auch wenn die nebulösen Pläne zu einer konkreten Übernahme geführt haben, so fürchte ich, dass die schemenhaften Umrisse des Web 3.0 noch wenig Anhaltspunkte für einen Möchtegern-Marktführer bieten.

Kategorie: Firmenstrategien Ein Kommentar »

Eine Antwort zu “„Führender Web 3.0-Anbieter“”

  1. DiPi sagt:

    sie nennen das laut Pressemitteilung „Konsolidierung“ ob und wie alles funktionieren soll, habe ich erlich gesagt nicht verstanden – aber vielleicht ist das alles zu hoch für mich…oder? Mit WEB 3.0 hat das IMHO nix zu tun.