Googles erfolglose Dienste

28. Juli 2006 von Wolfgang Sommergut

Während Google in seinem Kerngeschäft die wichtigsten Konkurrenten immer weiter abhängt, erweisen sich einige der vielen neuen Services als Flops. Die New York Times hat sich ein paar davon vorgenommen und kratzt damit am Image von Google als Unternehmen, dem alles gelingt.

Als Geheimnis von Googles Innovationskraft gilt gemeinhin, dass alle Ingenieure einen Tag pro Woche von ihrer Arbeit freigestellt sind, um an eigenen Ideen und Projekten zu tüfteln. Der NYT-Artikel sieht darin aber auch den Grund, warum viele Produkte zwar schnell auf den Markt kommen, aber dann lange Zeit unter fehlenden Features leiden und kaum noch weiterentwickelt werden. Als Beispiel nennt er Google Maps, das bis zum heutigen Tag kein Adressbuch besitzt. Googles Vice President Marissa Mayer gestand diesen Mangel ein und gab zu, dass es sehr schwer sei, die Entwickler für solche profanen Aufgaben zu motivieren, nachdem sie die interessante Pionierarbeit geleistet haben. Dieser Ansatz berge laut NYT die Gefahr, dass Google immer mehr halbgare Services anbietet und damit die Benutzer vergrault.

Beispiele dafür gibt es mittlerweile schon mehrere: Etwa der Web Accelerator, der bald nach seinem Start wieder zurückgezogen werden musste (und nun still und heimlich zurückgekehrt ist), oder Google Analytics, das dem Ansturm der Benutzer nicht gewachsen war.

Zu den vergleichsweise erfolglosen Projekten zählt auch Google Talk, das vor einem Jahr verheißungsvoll in den IM-Markt gestartet war. Techcrunch veröffentlicht nun Zahlen von comScore, wonach GTalk weltweit nur 3389 Benutzer habe. Die Zahl scheint mir etwas zu niedrig, aber jedenfalls liegt Google weit hinter MSN und Yahoo. Obwohl mir die die schlanke und werbefreie Software weit lieber ist als viele Konkurrenzangebote, fände ich einige Features überfällig. Dazu zählt besonders ein VoIP-Gateway ins Festnetz nach dem Muster von SkypeOut. Stattdessen war eine wesentliche Neuerung der letzten Monate die Integration von Bildchen.

Der kreative Tag für Googles Softwareentwickler hat außerdem zur Folge, dass statt eines integrierten Systems lauter separate Anwendungen entstehen. Angeblich werden die Ingenieure nun stärker angewiesen, auf bestehende Services aufzubauen anstatt Insellösungen zu schaffen. Die Integration von GTalk in GMail zeigt, dass dadurch zusätzlicher Nutzen entsteht (etwa durch die Archivierungsfunktion für Chats) und weitere Anwender hinzukommen. GMail erschloss für Google Talk von einem Tag auf den anderen ein große Zahl neuer Nutzer. Verglichen mit anderen Mail-Services ist allerdings auch GMail nicht sonderlich erfolgreich. Laut NYT konnte er bisher zwar 8,6 Millionen Anwender gewinnen. Im gleichen Zeitraum erweiterte Yahoo aber seinen ohnehin viel größeren Dienst um 11,8 Millionen neue Benutzer.

Kategorie: Suchmaschinen 4 Kommentare »

4 Antworten zu “Googles erfolglose Dienste”

  1. helge sagt:

    hallo wolfgang, die comscore-zahlen weisen für google talk nicht 3389 sondern 3.389.000 user aus (siehe header der tabelle). 3,4 mio user nach dem ersten beta-launch letzten august finde ich jetzt nicht soo schlecht. wobei die zahl der aktiven nutzer deutlich niedriger sein dürfte.
    auch sind google maps und gmail m.E. schlechte beispiele für diese argumentation, beide produkte sind relativ erfolgreich. die wachstumsraten von yahoo mail mit gmail anhand absoluter zahlen zu vergleichen, ist aufgrund der größenunterschiede nicht sonderlich seriös, die prozentzahlen dazu würden glatt die gegenteilige position beweisen.
    die grundaussage, nämlich dass das portfolio von google zunehmend zum sammelsurium unausgegorener produkte wird, stimmt trotzdem. ich hätte das halt eher mit produkten wie google reader oder personalized home argumentiert.

  2. TRACKBACK: Denn längst nicht alle Google-Projekte führen zu den gewünschten Ergebnissen. Das hat jetzt die New York Times berichtet, wie Computerwoche-Redakteur Wolfgang Sommergut in seinem Weblog schreibt. Zu den Flopps zählen danach z.B. der Google Web Accelerator oder Google Analytics. Auch Google Talk soll weit hinter den Erwartungen zurückbleiben.

  3. helge sagt:

    nachsatz: sehe gerade, dass der NYT-artikel erwähnt, dass im juni nur 44.000 user google talk genutzt haben. das ist tatsächlich nicht allzu viel.