IBMs Content Management Systeme – ein Fall für Detektive

1. April 2004 von Wolfgang Sommergut

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Viele Softwarehäuser bezeichnen sich mittlerweile als Anbieter von Lösungen für das Enterprise Content Management (ECM). Unter ECM versteht freilich jeder etwas anderes, der Begriff ist modisch und relativ unscharf. Die IBM zählt indes zu dem erlauchten Kreis an Firmen, die praktisch jeder Analyst oder Marktbeobachter in seiner Liste der wichtiger ECM-Player führt. Das ist kein Zufall, denn der Elefant aus Armonk besitzt eine große Zahl an Produkten, die bei ECM eine wesentliche Rolle spielen. Darunter finden sich ältere und neuere Eigenentwicklungen sowie eine Vielzahl zugekaufter Software. Deren Integration lässt allerdings noch zu wünschen übrig. Es bedarf nahezu kriminalistischen Spürsinns, um herauszufinden, was für welchen Zweck geeignet ist und wie das Zeug zusammenpasst. Hier ein paar Indizien.

So vage die Rede von ECM häufig ist, so besteht doch allgemein Konsens über die wichtigsten Funktionen, die es erbringen soll. Es beschränkt sich nicht wie Content Management, das meist synonym mit Web-Content-Management (WCM) verwendet wird, auf wenige Dokumenttypen. Vielmehr erhebt es den Anspruch, alle möglichen Arten unstrukturierter Daten erfassen, verwalten, speichern, archivieren, finden und ausgeben zu können.

Neben den Aufgaben des schon lange etablierten elektronischen Dokumenten-Managements zählen dazu auch jene des WCM oder der Umgang mit Streaming Media. Darüber hinaus wird erwartet, dass derartige Lösungen über ausgefeilte Rechechemöglichkeiten verfügen, die Metadaten berücksichtigen und über eine reine Volltextsuche hinausgehen. Einige Hersteller bieten zudem schon Systeme an, die Dokumente automatisch nach ihrer Bedeutung sortieren (Clustering auf Basis von Taxonomien). Bei der Präsentation von Inhalten etablieren sich Portale als die wichtigste Schnittstelle zum Anwender. Sie bieten häufig gleich die Funktionen zur gemeinsamen Bearbeitung von Dokumenten im Team an (Collaboration).

Man kann von der IBM in allen genannten Kategorien Produkte kaufen, vorausgesetzt, man findet sich zurecht. Hier also ein kleiner und unvollständiger Überblick über das üppige Portfilio:

  • IBMs Kernprodukt für ECM ist der DB2 Content Manager. Es handelt sich dabei eher um eine Produktfamilie als um eine einzelne Software. Trotz des Namens liegen ihre Fähigkeiten vor allem beim traditionellen Dokumenten-Management, etwa beim Imaging oder der Archivierung. Die Software existiert in einer verwirrenden Vielzahl an Ausführungen, als Content Manager for iSeries, Content Manager for Multiplatforms und Content Manager for z/OS. Daneben existiert noch der DB2 Content Manager OnDemand, den es ebenfalls in den Geschmacksrichtungen für iSeries, Multiplatforms und z/OS gibt.
  • Mehrere Zusatzprodukte sind für die Anbindung an Fremdsysteme nötig. Für die Archivierung von Daten aus Exchange, Lotus Notes oder SAP gibt es CommonStore for Exchange Server, CommonStore for Lotus und CommonStore for SAP.
  • Für die Integration von Fremddaten benötigt der Content Manager zudem den DB2 Information Integrator for Content (früher hieß der „Enterprise Information Portal“). Dieser umfasst seinerseits wieder eine Reihe von Komponenten (Advanced Workflow, Application Development Toolkit, Information Mining und Web Crawling, Lotus Extended Search, Panagon Image Services Connector). Ob der Integrator zumindest in einer Basisversion im Content Manager enthalten ist, konnte ich über IBMs Website nicht eruieren.
  • Auch wenn der Content Manager primär Aufgaben eines Dokumenten-Management-Systems übernimmt, so gibt es daneben doch noch einen DB2 Document Manager. Es handelt sich dabei um die Software der Firma Green Pasture, die von IBM Ende 2003 übernommen und kurzerhand umbenannt wurde. Sie ist auf zusammengesetzte Dokumente (OLE, CAD-Zeichnungen) spezialisiert und läuft offenbar nur unter Windows. Der Document Manager adds extended document services for IBM DB2 Content Manager and Lotus Domino.doc. Fragt sich nur wie.
  • Wie eben zitiert, bietet die IBM ein weiteres Dokumenten-Management-System auf Basis von Lotus Domino, den Lotus Domino Document Manager (ehemals Domino.Doc). Der läuft in der neuesten Version nicht nur unter Windows und OS/400, sondern auch unter AIX und Solaris. IBMs Lieblings-OS Linux wird noch nicht unterstützt.
  • Ebenfalls im letzten Jahr übernahm die IBM Aptrix, den Hersteller eines Web-Content-Management-Systems (WCMS). Das gab es bereits in Versionen für Websphere/DB2 und Lotus Domino. Die Software firmiert jetzt unter dem wohlklingenden Namen Lotus Workplace Web Content Management. Nachdem der DB2 Content Manager ebenfalls WCM-Fähigkeiten besitzen soll, scheint das Verhältnis der beiden Produkte auf Anhieb nicht ganz klar.

Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr gäbe es da u.a. noch den Lotus Discovery Server, um den es in den letzten 2 Jahren ziemlich ruhig geworden ist, oder den von Tarian zugekauften Record Manager – wie passen die ins Gesamtbild? Mehr dazu demnächst an dieser Stelle.

Kategorie: Content-Management 2 Kommentare »

2 Antworten zu “IBMs Content Management Systeme – ein Fall für Detektive”

  1. Heiko Hebig sagt:

    Im Prinzip hat IBM nicht die Produkte sondern viel mehr die Kunden (die bisherigen Nutzer) gekauft.
    Da waren Tarian (Dokumentenmanagement), Aptrix (Intra-/Extranets im Louts-Umfeld) und Green Pasture (ebenfalls Dokumentenmanagenemt). Wie so oft scheint es IBM im Kern um die daraus resultierenden Services zu gehen und nicht primär um eine Integration der unterschiedlichen Software-„Komponenten“ auf Produkt-Level.

  2. Ralph Rost sagt:

    Tja, da steckt schon ein bißchen Wahrheit drin. Allerdings hat IBM ja seine Business Partner, welche die Endkunden beraten sollen und bei der Produktauswahl unterstützen. Ausserdem kann der IBM Business Partner vom IBM Software Lizenzverkauf nicht leben; er muß beraten und kostenpflichtige Dienstleistungen generieren. Dienstleistungen für die Integration und die Schnittstellen zwischen den Produkten!