Saugen die Suchmaschinen zu viel Geld aus dem Web?

12. Februar 2006 von Wolfgang Sommergut

Jakob Nielsen, von deutschen Bloggern geschmähter Usability-Papst, behauptet in einer kürzlich erschienen Kolumne, dass die Suchmaschinen zu viel vom Wert abschöpfen, der im Web erzeugt wird. Seine zentrale Premisse lautet, dass erfolgreicher E-Commerce ohne Keyword Advertising nicht mehr möglich ist.

Nielsen veranschaulicht seinen Vorwurf anhand eines Rechenbeispiels für eine typische B2B-Site. Er geht davon aus, dass E-Commerce-Firmen einen Großteil des Gewinns, den sie mit einem durchschnittlichen Besucher erwirtschaften, in Programme wie Google Adwords stecken, um damit weitere Besucher auf ihre Sites zu bekommen. Maximal können sie den gesamten Profit ausgeben, den ein Kunde abwirft, um einen einzigen Klick zu bezahlen, der einen weiteren Besucher bringt. Deshalb müssen sie ihren Web-Auftritt laufend verbessern, um höhere Konversionsraten und mehr Gewinn pro Besucher zu erzielen. Nur so kommen sie bei ihren begehrten Keywords weiterhin zum Zug und können gleichzeitig profitablel sein. Leider schläft der Mitbewerb nicht und versucht mit ähnlichen Methoden, seine Einnahmen zu verbessern. Da die Suchmaschinen die Schlüsselbegriffe für die kontextabhängige Werbung versteigern, führt die höhere Profitabilität des E-Commerce bloß dazu, dass die Anbieter die Anzeigenpreise immer weiter nach oben treiben.

Bei den Maßnahmen zur Steigerung der Einnahmen pro Benutzer rangiert bei Nielsen Usability an oberster Stelle. Das finde ich deshalb interessant, weil hierzulande gute Bedienbarkeit einer Site oft als Selbstzweck gesehen wird oder als eine sportliche Übung. Für Nielsen hat sie den klar definierten Zweck, Besucher auf der Site zu halten und dorthin zu geleiten, wo sie Waren oder Dienstleistungen beziehen sollen. Allerdings räumt er bereits in einer früheren Kolumne ein, dass Suchmaschinen immer mehr dazu dienen, nicht bloß Sites zu finden, die dem Interesse des Benutzers entsprechen, sondern direkt auf die gewünschte Information zu stoßen („Search Engines Become Answer Engines“). Wenn Web-Nutzer in Google & Co. zunehmend ihr Standard-Interface für das Web sehen, dann verlieren m. E. die Navigationshilfen einer Site an Bedeutung.

Jon Lebkowsky stößt auf You’re It! ins gleiche Horn und sieht im Web 2.0 und den semantischen Informationen, die es über Sites bereitstellt, einen weiteren Faktor, der diesen Trend verstärkt. RSS etwa konzentriert sich auf Information und verzichtet weitgehend auf Präsentation. Insgesamt verschwinden „Site“ und „Page“ als gestaltende Einheiten des Web, so Lebkowsky. Schlechte Zeichen für Usability-Päpste.

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