Tim O’Reilly propagiert ethische Leitsätze für Blogger

10. April 2007 von Wolfgang Sommergut

Blogger's Code of ConductDer Schöpfer des Begriffs „Web 2.0“ und Verleger Tim O’Reilly initiierte die Entwicklung von Benimmregeln für Blogger (Draft Blogger’s Code of Conduct). Ein eigenes Logo soll zeigen, ob die Autoren von Weblogs sich an diese Vorgaben halten. Der eine oder andere Leitsatz würde deutsche Blogger in Verlegenheit bringen.

Die meisten der sechs Punkte würde man unter zivilisierten Menschen als selbstverständlich erachten. Dazu zählt etwa, dass man sich als Blogger für seine eigenen Texte und für die Kommentare von Lesern verantwortlich fühlt. O’Reilly meint damit, dass niemand inakzeptable Inhalte veröffentlicht beziehungsweise diese löscht, wenn sie von Besuchern stammen. Unter inakzeptabel versteht er beispielsweise Belästigungen, Beleidigungen oder Drohungen, bewusst falsche Behauptungen, gegen die Person gerichtete Angriffe, Vertrauensbrüche, aber auch Verletzungen von Urheberrechten.

Zwei Vorschläge beziehen sich auf die Vermeidung beziehungsweise die Regelung von Konflikten: Als Blogger sollte wir über andere Personen nichts schreiben, was wir ihnen nicht auch persönlich sagen würden, und wir sollten Missverständnisse erst direkt klären bevor wir öffentlich anklagen. Der Kodex möchte auch zu Zivilcourage ermuntern: Wenn jemand unfair angegriffen wird, dann sollen Blogger, die den Sheriff-Stern tragen, eingreifen.

Der fünfte Punkt würde derzeit die meisten deutschen Blogs daran hindern, das O’Reilly-Logo zu führen: Anonyme Kommentare sollten nicht zulässig sein. Diese sind hierzulande eher die Regel als die Ausnahme und das Angeben fingierter Mail-Adressen absolut üblich. Schließlich sieht der Entwurf der Blogger-Ethik vor, dass Trolls ignoriert werden sollten. Das wird jeder vernünftige Blogger schon aus eigenem Interesse tun.

O’Reilly führt bereits existierende Vorschläge fort und reagiert offenbar auf die Vorkommnisse um Kathy Sierra, die von Bloggern bedroht worden war. Natürlich kann man sich fragen, ob man ein solches Regelwerk braucht und wie die missbräuchliche Verwendung des Logos verhindert werden kann. Abgesehen von wenigen Ausnahmen wissen die meisten Blogger, wie man sich benimmt, wenn man für die Öffentlichkeit publiziert. Nach meiner Erfahrung gehen die englischsprachigen Autoren höflicher miteinander um als es bei uns üblich ist. Dieser Eindruck mag vielleicht entstehen, weil die Radaubrüder angesichts der vielen hochklassigen Blogs kaum beachtet werden. Mich hat zum Beispiel beeindruckt, wie Besucher des Blogs von Greg Linden auf die Nachricht reagierten, dass seine Web-2.0-Comapany Findory gescheitert ist. Der Tenor war Aufmunterung, Mitgefühl und Glückwünsche für das nächste Projekt. Bei uns wäre das wahrscheinlich etwas anders verlaufen: Ich höre die Aasgeier kreischen.

Kategorie: Weblogs und Wikis Ein Kommentar »

Eine Antwort zu “Tim O’Reilly propagiert ethische Leitsätze für Blogger”

  1. Andreas sagt:

    Es ist jetzt auch wieder ein paar Monate her, dass ich mich um Kontroversen zwischen Bloggern in USA gekümmert habe. Aber die These, dass die miteinander immer höflicher miteinander umgingen, sollte jeder für sich überprüfen. Ich hatte seinerzeit (im Sommer vergangenen Jahres) den gegenteiligen Eindruck.
    Wohlgemerkt:
    Es geht dabei um Kontroversen über politische Themen und nicht etwa so einen Kinderkram, dass ich irgendjemand eine Rechnung wegen eines mutmaßlich zustandegekommenenen Werbevertrags schicke und dieses Rechnungsschreiben dann auch noch in Gänze ins Web stelle.
    Einen Überblick zu allen politischen Blogs in USA gibt dieser Link:
    http://web.archive.org/web/20060516063211/http://www.themoderatevoice.com/posts/1144501223.shtml
    Ich musste aufs Archiv zurückgreifen, weil moderate voice seine Seite umgebaut hat.
    In einer Beziehung gebe ich Dir auf alle Fälle recht: Anonymität und Meinungskundgabe lassen sich nur miteinander vereinbaren, wenn hierfür triftige Gründe vorliegen.