Brockhaus: Online-Offensive mit weniger Personal

12. Februar 2008 von Wolfgang Sommergut

Der Verlag Bibliographisches Institut & FA Brockhaus (Bifab) möchte sein Geschäft ganz ins Internet verlagern und kündigte eine große Online-Offensive an. Damit reagiert der Verlag nach eigenem Bekunden auf das geänderte Nutzerverhalten, das sich von der gedruckten Ausgabe wegorientiert und daher in der Bilanz des Jahres 2007 zu einem Defizit von mehreren Millionen Euro führte. Die Neuausrichtung geht einher mit dem Abbau von mehr als 10 Prozent der Stellen.

Die ab April im Web verfügbare Version des Brockhaus versteht sich wie manch anderes Projekt explizit als Gegenmodell zur Wikipedia. Die Betonung legt der Verlag auf genaue, relevante, geprüfte und nicht manipulierte Information. Um ein interessantes und konkurrenzfähiges Angebot im Web aufzubauen, bedarf es entsprechender personeller Ressourcen, besonders jedoch einer großen Redaktion. Aus den verschiedenen Meldungen geht nicht hervor, wie viele von den 50 gestrichenen Stellen auf die Redaktionen entfallen. Es ist jedoch nicht anzunehmen, dass dort aufgestockt wird. Bifab steht mit dieser „Strategie“ in der Verlagswelt allerdings nicht alleine da.

Das ist indes nicht die einzige Ungereimtheit in der Ankündigung des neuen Kurses. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten seien entstanden, weil der Markt hätte sich schneller gedreht als erwartet, so Bifab-Vorstand Marion Winkenbach. Diese Einschätzung sagt vor allem einiges über die Erwartungen von Brockhaus. Die rasante Verlagerung von Fachinformationen ins Online-Medium fällt jedem Bibliothekar seit Jahren auf, der Erfolg der Wikipedia hat sich auch nicht gerade gestern angekündigt und die Encyclopaedia Britannica kam immerhin schon Mitte der 90er Jahre ins Trudeln.

Die erste Version von Brockhaus online startet Mitte April. Anfangs sollen nur redaktionell geprüfte Inhalte veröffentlicht, in einer späteren Produktversion auch Web 2.0-Elemente in die neue Plattform eingebunden werden. Leider führt Bifab nicht näher aus, wie die aussehen sollen. In einem Gegenmodell zu einem Community-Projekt wird man einige Phantasie aufbieten müssen, um Besucher zu einer aktiven Teilnahme zu bewegen – mit der allgemeinen Rede von „Web-2.0-Elementen“ ist es bestimmt nicht getan.

Der Web-Brockhaus möchte sich über Werbung finanzieren, weil kein Benutzer angesichts zahlreicher kostenloser Alternativen bereit sein wird, dafür zu bezahlen. Bifab musste das schon vor Jahren feststellen, als es auf xipolis.net zahlende Nutzer für seine Artikel finden wollte. Der Brockhaus trägt somit zur raschen Expansion der Werbefläche im Web bei, die zum Verfall der Anzeigenpreise führen könnte.

Siehe auch:
Die Wikipedia ist wahrscheinlich richtig
Selbstmissverständisse des sozialen Web
Wikipedia als Zielscheibe von Web-2.0-Gegnern

Kategorie: Firmenstrategien, Medien und Web-Dienste 3 Kommentare »

3 Antworten zu “Brockhaus: Online-Offensive mit weniger Personal”

  1. […] die man nicht verlinken und nicht editieren kann, Modell 19. Jahrhundert. Wolfgang hat sich mit der neuen Webstrategie befasst, nachdem man angekündigt hat, mehr internetiger werden zu wollen. Siehe weitere […]

  2. nachgehakt sagt:

    Gibt es Bücher jetzt auch online?…

    … Ein Standardmittel um Kosten zu sparen ist wohl aber sofort wieder eingefallen: Personal sparen……

  3. […] Brockhaus verlagert seine Aktivitäten ins Internet. Ab April sollen dort redaktionell bearbeitete Artikel den Wettbewerb mit Plattformen wie Wikipedia […]