Heribert Prantls falsche Hoffnung für die Zeitung

22. August 2008 von Wolfgang Sommergut

Der Tod der Zeitung ist angesichts sinkender Auflagen und Rückläufiger Leserzahlen schon oft prophezeit worden. Der SZ-Autor Heribert Prantl sagt dem Printmedium aber noch ein langes Leben voraus, wenn es sich auf seine Stärken konzentriert. Dieser Einschätzung liegt jedoch eine beschränkte Sicht auf das Internet zugrunde.

Die Kernthese von Prantls Beitrag lautet, dass Aktualität noch nie die Stärke des gedruckten Wortes war, und dass Zeitungen daher in dieser Hinsicht nicht mit dem Internet konkurrieren können. Das Online-Medium sei zwar schnell, aber könne in der Hetze der Echtzeit wesentliche Dinge nicht leisten: Analyse, Hintergrund, Kommentierung, Sprachkraft, Gründlichkeit und Tiefgang. Das seien originäre Tugenden der Zeitung.

Giesbert Damaschke merkt treffend an, dass nichts und niemand einen dazu zwingt, sich an der Hetze zu beteiligen. Das digitale Medium sperrt sich keineswegs gegen anspruchsvolle Berichterstattung. Der oberflächliche Online-Journalismus ist ein Ergebnis ökonomischer Rahmenbedingungen, vor denen auch das Printmedium nicht verschont wird. Prantl selbst liefert das Beispiel der Berliner Zeitung, die zu Lasten des Journalismus auf Rendite getrimmt wird. Nach seiner Sicht handelt es sich dabei aber um einen Verstoß gegen ureigenste Qualitätsmerkmale der Zeitung, während die gleichen Erscheinungen im Internet offenbar eine Eigenheit des Mediums darstellen.

Aufgrund des spezifischen Charakters der beiden Kanäle bietet sich nach Prantls Ansicht eine ideale Arbeitsteilung zwischen Internet und Zeitung an: Ersteres ist für die schnelle Nachricht zuständig und Zweitere für die Analyse und Reflexion. Naiv an dieser Vorstellung ist vor allem, dass sie das Publizieren in allen Medien weiterhin für eine Domäne des professionellen Journalismus hält. Es geht quasi nur darum, welchen Kanal der Redakateur für welche Inhalte und Darstellungsformen bevorzugen soll. Dabei stellt das Web aber den ohnehin immer schon prekären Status des professionellen Journalisten grundsätzlich in Frage. Der Verdrängungswettbewerb zwischen Internet und Zeitung Web findet nicht nur zwischen Online-Journalisten und Print-Redaktionen statt, vielmehr setzen Amateure den Verlagen immer stärker zu.

Wie sehr Prantl, einer der wenigen noch lesenswerten SZ-Autoren, von einem Überlegenheitsdünkel des Print-Journalisten beseelt ist, zeigt des Schluss seines Beitrags. Ein Zitat aus der letzten Weltbühne vom 7. März 1933 dient ihm dazu, in der Zeitung den Ort des Geistes zu sehen. Und der Geist setzte sich zuletzt nicht nur gegen die Nazi-Barbarei durch, sondern kann der Zeitung auch gegen neue Bedrohungen wie das Internet helfen, aus dem vielleicht nicht der Ungeist, aber die Geistlosigkeit spricht.

Siehe auch: Das SZ-Feuilleton bekräftigt seine Web-Inkompetenz

Kategorie: Medien und Web-Dienste Ein Kommentar »

Eine Antwort zu “Heribert Prantls falsche Hoffnung für die Zeitung”

  1. Die Leute aus der alten Printwelt verstehen nicht, welche fundamentalen Umwälzungen seit 15 Jahren stattfinden. Ich meine das nicht überheblich, sondern sehe auch die gewisse Tragik dabei. Ich hab damals an der Uni vor etwa 13 Jahren versucht, meinem Prof die Vorteile von digitalen gegenüber gedruckten Texten zu erklären. Er hatte aus echtem Erkenntnisinteresse gefragt, und trotzdem hat es lange gebraucht, bis er es halbwegs verstanden hat.

    Das grundlegende Problem ist, dass die in der Printwelt verwurzelten Leute sich überhaupt nicht mit den Unzulänglichkeiten des gedruckten Wortes gegenüber der digitalen Aufzeichung befassen wollten und wollen, weil ihnen das Problembewusstsein fehlt. Aus ihrer Sicht sind das nämlich banale Medienfragen, die von den eigentlichen Inhalten ablenken. Dazu gibt es vor allem in Deutschland eine lange geistesgeschichtliche Tradition.
    Dazu auch ein interessanter
    Aufsatz von Theo Sommer
    von 1991, wo er die Prognose, wonach in 50 (!) Jahren nur noch wenige Zeitungen gebe, empört zurückweist!!

    Ich kaufe ja interessanterweise selber zur Zeit wieder mehr Printmagazine, weil man hier nach wie vor den besseren Journalismus bekommt. Aber da ich auch weiß, was derzeit hinter den Medienkulissen abgeht, sind meine Hoffnungen auf eine große Printzukunft nicht allzugroß.